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Und sonst...

Zum Jahreswechsel: Was läuft hier falsch?

Woas Sois...
Es kam ja der Wunsch nach einem Diskussionsthema auf, ich mach mal das ganz große Fass auf.
Einiges was mich wundert. Noch nie war das Land so reich wie jetzt, noch nie war formell so ein großer Anteil der Leute so gut (aus-)gebildet wie im hier und jetzt. Der Zugang zu Wissen und Fakten ist quasi ohne Einschränkungen.
Und trotzdem: Mein Gefühl ist, es geht mit 170 km/h zurück in dunkle Zeiten.
Woher kommt dieser allgegenwärtige Hass und die Abneigung? Flüchtlinge ersaufen zu Tausenden im Mittelmeer, teilweise vertrieben von deutschen Waffen. Hier sind das alles Wirtschaftsasylanten und undankbare Schnorrer. Weil Homosexuelle mal annähernd die gleichen Rechte wie der Rest bekommen fürchtet man den Tod der guten christlichen Familie. Moslems werden wie die neuen Juden angesehen. Baut einer von denen Scheiße waren es alle. Ein christlicher Breivnik ist verwirrter Einzeltäter. Ist man anderer Meinung, ist man ein naiver Gutmensch. Und das alles nährt sich vollkommen faktenresistent, da die ja dann eh von der Systempresse erfunden sind.

Oder übertreibe ich, und das alles ist eine notwendige Korrektur eines übertrieben linken, salonliberalen Zeitgeists?
Braucht eine Gemeinschaft verbindende Ansichten und Werte auch wenn sie für andere falsch sind? Muss man sich als Volk in wirtschaftlich harten Zeiten mit ungewisser Zukunft auf die Kerntruppe konzentrieren? Wie ein Unternehmen? Die wünschenswerten Sachen auf bessere Zeiten verschieben? Demokratie heißt ja, die Mehrheit entscheidet. Und wenn die Mehrheit das so sieht, was ist daran zu verurteilen?

(Meine Meinung schreibe ich später dazu, sind nur so Fragen)
Powder To The People
Gute Fragen, da werd ich schon mal Stellung zu nehmen. Aber heute nicht mehr.:tongue:
AERPELSCHLOT
Puh, das ist wirklich das ganz große Fass. Das ist mir jetzt aber zu kompliziert ^^

Natürlich hab ich mir schon zu vielen deiner Fragen Gedanken gemacht. Abschließende Antworten und Lösungen natürlich aber nicht gefunden. Aber mal ein paar Denkansätze dazu:

Es ist richtig, daß es uns insgesamt gut geht. Insgesamt und durchnittlich ja, aber eben noch lange nicht jedem. Die Gegensätze werden immer größer. Immer mehr Superreiche oder Leute, die sich Einiges leisten können, aber auch immer mehr Leute, die nicht mal wissen, woher sie das Essen für sich und ihre Familie bekommen sollen. Die Schere wird immer größer. Das ist aber auch mit Sicherheit so gewollt. So ist es möglich Ängste zu schüren. Ängste erzeugen Abhängigkeiten. Leider aber auch Angstbeißer und das sehen wir jetzt gerade.

Das System von zu viel auf der einen Seite erzeugt aber auch viele Menschen, die sich die dicken Bäuche reiben und nicht mehr auf die Zustände um sich rum achten. Dieses "ach lass doch mal, uns gehts doch gerade so gut" ist sicher weit verbreitet. Anders ist es auch gar nicht zu erklären, daß wir jetzt seit vielen Jahren eine Regierung Merkel haben. Getan wird da nix, nur immer so viel, daß die dicken Bäuche der entsprechenden Klientel nicht dünner werden. Droht da Gefahr wirds halt da geholt, wo sich sowieso schon lange keiner mehr dafür interessiert, was die da oben machen.

Wir werden dazu auch immer weiter durchökonomisiert und entpolitisiert. Wer nicht politisch denkt, macht keinen Druck, wer ökonomisch denkt, der folgt aber bereitwillig vermeintlichen ökonomischen Zwängen.

Das Problem seh ich zur Zeit darin, daß es zu viele gibt, die ökonomisch abgehängt wurden bzw. denen das vermeintlich droht. Wer abgehängt ist, nicht mehr auf den Zug aufspringen kann, der sieht auch nicht mehr ein, wieso das System so toll sein soll, der politisiert mit einem Mal wieder. Daß das genau auf diese Art und Weise geschieht, ist irgendwo auch wenig verwunderlich. Die da oben, die interessiert das politisieren ja nicht, weil die ja damit beschäftigt sind, weiter zu plackern und sich die Bäuche zu reiben. Also sucht man die Schuld bei denen, die in der Hackordnung noch weiter unten sind, wie eigentlich immer. Am einfachsten ist in Zeiten von ISIS natürlich der böse Moslem. "Die sind halt so, die Unzivilisierten. Da unten können sie machen, was sie wollen und wir sehen ja was rauskommt, also gilt es das zu verhindern, daß sie hier auch machen können, was sie wollen." Und schwupp sind die Moslems an allem Schuld.

Mehr dann mal später...
Woas Sois...
Sehe ich mitunter ähnlich. Die Gesellschaft wurde in Folge von Hartz IV und Alternativlos Gerede bis ins Private durchökonomisiert. Da haben ja manche Leute schon ihren Freundeskreis auf Nutzen getrimmt.
Was mich so wundert: Die Allgemeinheit ist so gebildet (formell) wie noch nie. Da kommt mir der naive Gedanke, die durchschauen doch, dass die Merkel nichts macht außer ner Raute, daß Flüchtlinge sicherlich nicht das Boot voll machen.

Aber anscheinend ist Bildung doch was anderes als Intelligenz. Da war mein Opa schon weiter, einfacher Bauernbub mit Volksschulbildung. Der sagte immer: "Uns geht es nur so gut, weil es den anderen so schlecht geht".
riotsk
Saturn ist unsere Moschee und je mehr Angst das System verbreitet, desto mehr wenden wir uns unserem Gott zu. Konsuminares. Vater des Kapitalyysos. Mutter der Demagogysis.

Alles systemimmanent. Und ich bin kein Stück schlauer.
Woas Sois...
Angst scheint wohl wirklich der zentrale Begriff unserer Zeit zu sein :hm:
Angst vor wirtschaftlichem Absturz. Angst den Anforderungen nicht zu genügen. All das gilt ja heute als unser eigenes Versagen. Krank? Kommt vom Fleischessen/Gluten/Zu wenig Sport. Arbeitslos? Die Leistung nicht gebracht. Alleine? Zu wenig ins Sozialleben investiert.
riotsk
Ihr wisst ja, dass ich oft meinen Depressionen erliege aber man sollte versuchen das Gegenteil von dem zu praktizieren was einem hier eingetrichtert wird. Das eigene Leben nicht immer an fremden Maßstäben messen zum Beispiel. Nicht leicht.
Crackerman
Das eigene Leben nicht immer an fremden Maßstäben messen zum Beispiel. Nicht leicht.riotsk, 29.12.2014 10:19 #

DIE Erkenntnis schlechthin. So einfach, so wahr, so schwierig....
AERPELSCHLOT
Das eigene Leben nicht immer an fremden Maßstäben messen zum Beispiel. Nicht leicht.riotsk, 29.12.2014 10:19 #

DIE Erkenntnis schlechthin. So einfach, so wahr, so schwierig....Crackerman, 29.12.2014 13:53 #


Wahr und einfach ist das, aber nicht schwierig. Im Gegenteil, ich halte das sogar für ziemlich banal. Wie soll man denn sonst leben?
AERPELSCHLOT
Angst scheint wohl wirklich der zentrale Begriff unserer Zeit zu sein :hm:
Angst vor wirtschaftlichem Absturz. Angst den Anforderungen nicht zu genügen. All das gilt ja heute als unser eigenes Versagen. Krank? Kommt vom Fleischessen/Gluten/Zu wenig Sport. Arbeitslos? Die Leistung nicht gebracht. Alleine? Zu wenig ins Sozialleben investiert.Woas Sois..., 29.12.2014 10:13 #


Das Schlimme ist, es sind fast alles völlig irrationale Ängste. Heute noch mit nem sehr gescheiten Menschen geredet, den ich mal in ner (völlig bescheuerten) Maßnahme vom Amt kennengelernt habe. Der sagte, alles was ihm die Maßnahme gebracht hätte, wäre gewesen, andere teils noch intelligentere Leute kennenzulernen, die auch schon lange keinen Job mehr haben und zu erkennen, daß es nicht an ihm liegt, sondern daß das System Scheiße ist, wenn so viel Potenzial einfach nicht genutzt wird.
Die Erkenntnis machts auch nicht leichter die Miete zu bezahlen, aber sie hilft schon irgendwie in schweren Zeiten zu überleben und seine Würde zu behalten. Was ist aber mit Menschen, die nicht mal wissen, wie man Würde buchstabiert?

Ich hatte Freitag auf dem Weg zur Verabredung mit Pixie eine wunderbare Begegnung mit einer Zeitungsschlagzeile am Bahnhofskiosk. Da stand vor dem Laden so ein drehbarer Ständer und mir lachte die aktuelle Ausgabe von "der Freitag" entgegen. Wers nicht kennt, das ist ne linksliberale Zeitung, erscheint wöchentlich, Herausgeber ist Jakob Augstein, der zuletzt durch sehr kluge Kommentare zu Pegida aufgefallen ist. Und es war außer dem Üblichen nur eine einzige Schlagzeile zu sehen. Halbe weiße Seite mit 6 Buchstaben drauf: Nur Mut
Das ist der größtmögliche Schlag in die Fresse der Angstbeißer. Das werden die niemals verstehen. Das macht aber auch nix. Wenn sich ein "Nur Mut" aber durchsetzt, dann entzieht man denen komplett ihre gesamte Grundlage. Und nicht nur denen. Wer "Nur Mut" denken kann, den kann man auch nicht durchökonomisieren. Oder vielleicht kann man das, aber es wird für ihn keine Bedeutung haben, denn wer "Nur Mut" denkt, hat keine Angst vor Abstieg und mit dem kann man eben nicht mehr alles machen.

"Nur Mut" bedeutet übrigens nicht "Augen zu und durch". Hier gehts nicht darum, irgendwelchen Zweckoptimismus an den Tag zu legen. Für mich bedeutet das, wir sind uns der beschissenen Lage in vollstem Umfange bewusst, aber wir sind in der Lage und willens, die ganze Scheiße über Bord zu werfen. Es wird nicht einfach, es geht nicht schnell, aber es ist machbar. Und ja, es ist machbar.

Nur Mut.
Crackerman
Das eigene Leben nicht immer an fremden Maßstäben messen zum Beispiel. Nicht leicht.riotsk, 29.12.2014 10:19 #

DIE Erkenntnis schlechthin. So einfach, so wahr, so schwierig....Crackerman, 29.12.2014 13:53 #


Wahr und einfach ist das, aber nicht schwierig. Im Gegenteil, ich halte das sogar für ziemlich banal. Wie soll man denn sonst leben?AERPELSCHLOT, 29.12.2014 17:25 #

Tja, leicht gesagt....ich denke, ganz egal ist es den wenigsten, wie sie von ihrem Umfeld wahrgenommen werden :hm:.
Diese einfachen Dinge sind oft nicht so einfach. Nur Mut ist ja auch eher simpel. Mich interessiert Pegida nicht, für andere scheint es da keine einfachen Lösungen zu geben :hm:.