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(Best of 1998) Lagwagon - Let's Talk About Feelings

OneFingerSalute
„Making Friends“ – das Stück, mit dem Lagwagon und ich eine bis heute andauernde Freundschaft beginnen, könnte nicht passender betitelt sein. Es ist auf der 1998er Warped-Tour-CD drauf und dieser Sound packt mich – bis dahin noch relativ unentschlossen und mal von der Hip-Hop-, mal von der Rock-Fraktion in der Schule beeinflusst – wie kein anderer Song auf dem Sampler. Es ist damals nicht so einfach, an mehr ranzukommen von dieser mir völlig unbekannten Band namens Lagwagon. Zufällig steht kurz darauf im Monster Skateboard Magazine eine Kritik zum neuen Album „Let’s Talk About Feelings“.

Die Typen im örtlichen Elektro-Markt mit mittelgroßer CD-Abteilung haben zwar erst keinen Plan, als ich danach frage, sind aber zumindest einigermaßen guter Hoffnung, das Album für mich bestellen zu können. Problem: Meine Mutter erklärt es kurzerhand zum Weihnachtsgeschenk, weil sie noch was für mich braucht, also noch ein paar Wochen drauf warten und bis dahin auch gar nicht wissen, ob die CD es tatsächlich bis in die ostwestfälische Provinz geschafft hat.

Heiligabend nehme ich vorsichtshalber den Discman mit rüber zu Oma und Opa. Gute Entscheidung, CD ist da. Rein damit, angehört, nach 25 Minuten schon vorbei. Ein kleiner Schock. Das ist zwar super, aber wie kann da so wenig Musik drauf sein? Gut, höre ich das Album halt einfach immer zwei Mal hintereinander, Problem gelöst. Monatelang läuft die CD unter der Woche jeden Morgen– die Laufzeit passt perfekt zwischen Frühstück und Abmarsch Richtung Schulbus.

Das ist Punkrock, wie ich ihn damals liebe, aber doch ein bisschen anders: Fühlt sich düsterer an als viele andere Bands mit ihrem kalifornischen Kram, auch irgendwie tiefgründiger und melancholischer, obwohl ich diese Worte damals sicher noch gar nicht kannte oder zumindest nicht benutzt habe. Aber großartige Analysen sind eh nicht angesagt, Musik funktioniert damals noch deutlich simpler und primitiver als heute, kein großes Analysieren, kein großes Abgleichen, ich kenne ja auch bis dahin kaum was. Hauptsache, es knallt.

„May 16“ ist von Anfang an DER offensichtliche Hit für mich. Ist auch noch das Geburtsdatum meines Bruders, für uns beide bis heute ein wichtiges Lied. Bei Tony Hawk kommen zu dem Song regelmäßig die höchsten Punktezahlen zustande und am Silvesterabend 1999 springen wir dazu dermaßen wild durchs Zimmer meines besten Kumpels, dass ich hinterher bei der Nachbarin die Stufen vor der Haustür vollkotze und über Nacht alles festfriert (den Teil des Dorfes habe ich danach für eine Weile gemieden).

Das ist jetzt alles mächtig nostalgisch, aber das Album funktioniert für mich auch darüber hinaus bis heute sehr gut. Vieles, was ich damals gerne gehört habe, ist deutlich schlechter gealtert. Hier steckt aber genügend musikalische und lyrische Substanz drin, um keine Jugendsünde zu sein, sondern einfach ein verdammt gutes Punkrockalbum.

OneFingerSalute
Teile der Geschichte stehen so ähnlich auch schon in meinem Text zu "Double Plaidinum". Langweilt hoffentlich nicht zu sehr.
eigenwert
Langeweile setzt ja voraus, dass man das auch gelesen hat :cool: .
OneFingerSalute
Für die Rückmeldung hat sich das Nostalgieren doch schon gelohnt.
Woas Sois...
Mich langweilt es nicht. Schön persönlich beschrieben, was das Album dir bedeutet.
eigenwert
Vielleicht werd ich wirklich mal reinhören, eventuell kann ich ja was damit anfangen.
Jetzt geh ich mir noch schnell den Diplomatenpass von Kazarkistan bestellen, dann hat sich das Vorbeischauen im Forum wieder gelohnt.

Nee, sorry, das soll jetzt nicht so flapsig daherkommen, ne schöne Geschichte ist es auf jeden Fall (zumindest der erste Teil davon).
OneFingerSalute
Alles gut, habe ich nicht persönlich-beleidigt aufgenommen.
Harry Gant
Schöner Text Ofsi. Ich persönlich war nach Doubble Plaidnum bei der Band schon raus, gekauft habe ich sie mir zwar aber intensiv gehört eher nicht.
Hoss wird halt für immer "mein" Lagwagon Album bleiben.
Drunken Third
Schöne Geschichte! Da merkt man wieder die leichte Alterdifferenz, 1998 war bei mir noch die Viva Top Hits angesagt.
Olsen
Mir geht es wie Harry. "Double Plaidinum" war (vorerst) die letzte Lagwagon für mich. Ich glaube, das lag vor allem an der miesen Produktion. Erst vor einigen Jahren im Zuge meiner Rezension zu "Hang" hab ich alle anderen Alben der Zwischenzeit nachgeholt. (Bis auf die Resteverwertung.) Die "Let's Talk About Feelings" hätte mir sicher gefallen, wenn ich sie 1998 gehört habe. So wurde es halt 2014. :smile:
Alphex
Meine erste Lagwagon war die Hang, das davor war mir oft etwas zu düdelig und ohne spezielle Hängenbleibmomente.