Forum

Musik

Island - Ein kleines Land und seine Musikszene

AERPELSCHLOT
Weiter mit der Abteilung max. radiokompatibel und Gelegenheitsschauspieler. Emmsjé Gauti spielt ne kleine Rolle in der dritten Staffel von Ófærð (Trapped) und GDRN aka Guðrún spielt in der Netflix Serie Katla mit.

Emmsjé Gauti legt nach der vorherigen Schnarchnummer los wie der Leibhaftige. Klassische Bandbesetzung, Bass, Gitarre, Drums plus Elektronik und Gauti rappt. Am Anfang hat das fast was wie ne Industrial Version von Rage Against The Machine. Leider nur für einen Song. Dann wirds deutlich souliger und radiokompatibler. Aber es wird nie zu schmusig. Dafür sorgt schon Gautis kratzige Stimme. Publikum ist natürlich wieder mal textsicher, Gauti hampelt ständig irgendwo rum und ist nur die halbe Zeit auf der Bühne. Zum Schluß noch einer der größten isländischen Hits der letzten Jahre Reykjavík als Höhepunkt. Kann man so machen. Für poppigen HipHop erstaunlich gut.

Etwas weniger mein Fall ist GDRN. Das ist alles professionell, Stimme passt schon, aber so ne glattgebügelte Pop Klamotte mit Soul Anleihen geht mir einfach nicht gut rein.
AERPELSCHLOT
Und zum Abschluß noch die Abteilung gute Laune.

Seit Veröffentlichung des Lineups hatte ich die meiste Vorfreude auf Dr Gunni, bzw. Dr Gunni og Heiða Eiríks. Dr Gunni ist so ne Art Legende, aktiv in der Punk Szene seit den frühen Achtzigern. Mittlerweile isser fast 60, etwas füllig, Glatze, und sieht aus wie ein typischer Boomer. Musikalisch ist das recht straighter, gutgelaunter Indie Rock mit teils absurden oder sehr witzigen Texten. Nach zwei (?) Songs zum Aufwärmen kommts dann auch schon zum Äußersten: Prumpulagið oder auf Deutsch der Furzsong. Wahrscheinlich kennt den Song 99,99% der Isländer und fast soviele lieben den auch. Dementsprechend laut werden die Buhrufe auch, als Gunni sich nach dem ersten Durchgang des Refrains einfach abwendet und aufhört zu spielen. Schnell wird klar, daß das nur Fake ist und es geht doch weiter mit dem Song, aber das Publikum geht noch mehr ab. Insgesamt wars schon kuhl, die Legende mal live (also so live aus der Ferne) gesehen zu haben. Irgendwie mag ich diesen seltsamen Kerl doch sehr. Warum auch immer.

Celebs dann als Abschluss. Sagte mir bis dahin gar nix. Während des Sets hab ich erst recherchiert. Es stellte sich heraus, daß die Band aus 3 Geschwistern besteht, die auch alle schonmal den Talentwettbewerb gewonnen haben. Die beiden älteren Brüder 2015 mit der Indiepop Band Rythmatik und die Schwester 2017 im Alter von schlanken 14 Jahren als eine Hälfte des Duos Between Mountains. Die Webseite sagt: "A CELEBS live show is all about catchy bangers that promise to get even the stiffest hips moving!" Mich hat das sofort alles an FM Belfast erinnert. Ehrlich gesagt dachte ich während des ersten Songs sogar noch, daß das die Gewinner des lokalen FM B Cover Wettbewerbs oder sowas seien. Aber nachdem man sich eingegroovt hat, hats wirklich Spaß gemacht. Nicht ganz soviel Spektakel und Kindergeburtstag wie FM B letztes Jahr, aber für so ne Partynacht ein richtig guter Abschluss.

Tjoah, Tag 1 also überwiegend positiv. Die Musikschule lassen wir mal raus, somit 1mal Totalausfall Nanna, 1mal gut gemacht aber überhaupt nicht meins GDRN, der Rest durchaus so, daß ich mir die jederzeit nochmal live ansehen würde, wenn auch nix davon mein übliches Beuteschema bedient. Aber für sowas sind Festivals ja da, Spaß haben und Horizont erweitern. Bin mal gespannt, wies morgen weiter geht. Nomineller Höhepunkt sind wahrscheinlich Of Monsters and Men. Denn man tau.
AERPELSCHLOT
Áfram! Zweite Hälfte vom Aldrei.

Auftakt gleich sehr viel besser als gestern, was aber auch nicht schwer war. Spacestation. Klingt psychedelischer als es letztendlich ist. Ja, 3 Gitarren, aber da machen sie zu wenig raus. Die stehen halt stocksteif rum und gucken runter auf ihre Instrumente. Wirkt und klingt auch so, als ob sie noch längere Zeit im Proberaum bräuchten. Ich hege allerdings große Sympathien für den Sound, der mich an 80er neuseeländische Schrammelbands (Dunedin) mit Cure Einsprengseln erinnert. Sicher kein Highlight, aber ursympathisch und sicher ausbaufähig, da die auch noch sehr jung aussehen.

Birnir, Hiphop, tausendmal gehörte Standardbeats und Autotunes. Geh fott.
AERPELSCHLOT
Hipsumhaps. Meiomei, das könnte heute anstrengend werden. Easy Listening Pop incl. Saxophon und Background Sängerin, so mittelmäßig wie man nur mittelmäßig sein kann und das im negativsten Sinne, den man sich vorstellen kann. Einziger Verwendungszweck : musikalische Untermalung des örtlichen Stadtteilfests, damit Mutti leicht beduselt vom lauwarmen Cocktail von einem Bein aufs andere wippen kann und sich sonst niemand an der Musik stört.

Helgi Björnsson. Alternder Schauspieler, der nochmal auf Musiker macht. Große Geste, brüchige Stimme, lahmarschiger Standardplätscherpop. Kann auch weg. Wieso tu ich mir das nochmal an?
AERPELSCHLOT
Mal fein eingepennt, trotzdem alles nachgeholt.

Of Monsters and Men. Beschissener hätte man das kaum plazieren können nach den 3 Totalausfällen. Diese Art von Indie-Folk funktioniert nicht als Anheizer für den Rest des Abends, wenn die Stimmung bis dahin eher meh ist. Sie haben das wirklich gut gemacht und den größten Hit Little Talks genau in die Mitte gepackt, wo die Meute auch gut abgegangen ist, aber irgendwas fehlte. Ich wüsste nicht, jemals ein ganzes Album gehört zu haben und dennoch kannte ich fast alle Songs. Das hat trotzdem nicht gereicht, um mich wieder fit für den weiteren Abend zu machen. Vertane Chance der Veranstalter. Die Band war gut drauf und hat eigentlich alles richtig gemacht.

Bogomil Font. Dahinter steckt tatsächlich der Siggi Baldursson, den man von Þeyr, Kúkl, Kippi Kanínus und natürlich The Sugarcubes kennt. Jetzt isser über 60 und macht mit einigen gleichaltrigen Herren gepflegten Mambo mit isländischen Texten. Ich bin dann währenddessen trotz überragender Schrecklichkeit einfach eingepennt.
AERPELSCHLOT
Im Prinzip hat man für die beiden letzten Acts die gleiche Zusammenstellung wie am ersten Abend gewählt. Erst die Rocklegende, dann den Partyact.

Die Rocklegende sind HAM mit Óttar Proppé, dem ehemaligen Parteivorsitzenden der als Satirepartei gestarteten Bjart Framtíð und kurzzeitigen Gesundheitsminister. Die Band selbst gilt in Island als einer DER Liveacts überhaupt. Gibt wohl auf der Insel kein Kellerloch, was die nicht schon mit Kubikmetern von Männerschweiß geflutet hätten. Die recht einzigartige Mischung aus den schlichten aber eingängiger Hardrockriffs, dem Gekrächze Óttars und dem sehr tief angelegten opernähnlichen Gesang des zweiten Sängers funktioniert dann auch beim Aldrei. So nen richtig eindeutigen Höhepunkt des Festivals wie im letzten Jahr hab ich nicht, aber HAM war da sicher ganz weit vorne in der Auswahl.

Gleiches gilt für den letzten Auftritt des Festivals. Inspector Spacetime. Die wurden irgendwann mal vom Reykjavík Grapevine sehr gehypet. Mich hat das aber so gar nicht abgeholt. Nach dem Auftritt weiß ich aber nicht, warum die vom Grapevine das so feiern. 4 Leute, eine Sängerin, ein Sänger, so ne Art Drummer, wobei die meisten Beats vom 4. Mitglied kommen, der die Elektronik bedient. Und alle gehen auf der Bühne ab wie nix Gutes. Was da musikalisch passiert, ist für jemanden, der sich sonst nie mit Electro Zeuch beschäftigt, nur schwer zu fassen. Auf jeden Fall ist alles extrem tanzbar, was das Publikum auch ausnahmslos dankend annimmt. Und ich habe seit gestern von deren... dansa og bánsa og dansa og bánsa... permanent einen Ohrwurm, den ich auch gar nicht mehr loswerden will. Für mich die Überraschung des Festivals.

Zuletzt geändert von AERPELSCHLOT