10. Planes Mistaken For Stars - Prey
Des Ofsis Herz schlägt Purzelbäume beim Punkrock der Buben und auch ich kann nicht umhin zu bemerken, diese Band immer begleitet zu haben. Weil sie irgendwie anders sind in diesem Genre. Weil sie diesen außergewöhnlichen Sänger haben, der nach wie vor klingt, als wäre er als Kind in eine Topf voll WC-Reiniger gefallen. Weil sie dieses ungewöhnliche Songwriting haben, bei dem man anfangs gerne mal denkt „WTF? Wie kommt ihr jetzt darauf?“ und dann am Ende trotzdem alles Sinn ergibt. Weil sie der Produktion diesen verhallten Touch geben (nicht shoegazig), den Gesang ganz speziell in die Musik fliessen lassen. Sie haben auch auf „Prey“ nichts von ihrer Atmosphäre eingebüßt und werden von mir weiterhin uneingeschränkt empfohlen.
Need to listen: She Who Steps / Clean Up Mean
9. Èglise - s/t
Der Ofsi hat ja schon geschwärmt und auch für mich kam dieses Jahr keine Band näher an den Converge-Sound, ohne ihre Identität dabei zu verlieren. Dänemark als seltene Herkunft lässt nochmal einen separaten Exotenbonus mitschwingen. Die vertonte Katharsis ist technisch und emotional einfach zermalmend konsequent. Dabei agieren sie vielleicht nicht ganz so chaotisch wie ihre Vorbilder, lassen dafür aber einen Hauch mehr Gitarrenschönklang zu. Was auch immer das in diesem Zusammenhang heissen soll. Ähnlich wie die französischen Calvaiire sind sie somit reguläre Erben eines zu bewahrenden Klangs, der mich immer kriegen wird.
Need to listen: The Mountains / Light Conqueror
8. Touché Amoré - Stage Four
Ich nehme an, ich muss dich der Frage erwehren, warum dieses Album nicht deutlich höher in dieser Liste sitzt? Ganz einfach - Texte sind nicht alles. Ja, der Kampf gegen Krebs ist für Angehörige ein hartes Thema. Bolm weiss natürlich wie man sowas in Worte verpackt. Das bleibt Champions League. Doch die persönliche Tragödie in allen Ehren: Wer mal eine zeitlang auf einer Palliativstation gearbeitet hat, trifft auf wesentlich jüngere, tragischere, noch viel intensivere Schicksale als eine scheidende 69-jährige. Das klingt gemein, ich weiss. Aber ich weiss auch, wovon ich rede. Das soll Bolm’s Intention nicht relativieren, aber sehr wohl den Blick mal weg von textlichen Bezügen lenken. Und rein musikalisch gesehen ist das guter Indie-Punkrock. Gut; nicht hervorragend oder besonders super. Bolm’s Versuche clean zu singen erscheinen vielleicht im ersten Moment ambitioniert, mangeln aber schlicht an Talent. Ich brauche keine mässigen Joy Divison-Interpretationen. Bevor das Forum brachialempört aufschreit - das bleibt alles gut gemacht. Und ist vielleicht sogar ihr bestes Album (obwohl mir persönlich die rasenden Ausbrüche zu sehr fehlen; ist aber vielleicht auch auf das Konzept zugeschnitten). Sollte in jeder HC-Jahresbestenliste auftauchen. Nur halt nicht zu weit oben.
Need to listen: Posing Holy / Skyscraper
7. The Fall Of Troy - OK
Es ist schon witzig wenn eine Band völlig natürlich wieder so klingt wie vor 14 Jahren. Nach zwischenzeitlichen Prog-Ausflügen frickelt, faucht und singsangt sich Thomas Erak wieder durch knackige 3 Minüter. Das ist kurzweilig, das ist nach 30 Minuten vorbei, das mach ich direkt wieder an. Die Blaupause für alles was Blue Swan Records ausmacht. Ob man das jetzt Emo, Screamo oder Post-HC (der vor dem Post-HC) nennt, spielt keine Rolle. Ein knackiges Album mit dem Charme der frühen 2000er.
Need to listen: Auto Repeater / Your Loss
6. Holy Gold - Feral Children
Und dann kommt da aus dem Nichts eine Band mit Ex-Mitgliedern von Norma Jean und The Chariot und der Powder muss reinhören. Und höret, es wart geil. Und das obwohl die EP gar nicht unbedingt so losgeht, wie man es erwarten könnte. Es tropft schwerer Southern Rock aus den Boxen, erinnert mal an Maylene And The Sons Of Disaster, mal an die groovenden Passagen von Every Time I Die, zielt auch mal kurz in Richtung Down und klingt dabei stets einprägsam und vor allem viel clean gesungen. Und dann kommt „Pyramids“ und man erinnert sich wieder daran, wessen Geistes Kind das ist. Und man sitzt plötzlich neben Botch. Und was haben mir diese 6 Songs Spass gemacht und was tun sie es immer noch.
Need to listen: Crooked Path, Crooked Smile / Pyramids
5. Norma Jean - Polar Similar
Ja eine Lieblingsband und ja ich bin nicht vollends begeistert. Rio will das nicht lesen und falls doch, dann will ich es zumindest versuchen zu erklären. All das was ich auf diesem Album von ihnen höre, hab ich so schon von ihnen gehört. In anderen Versionen. Geschenkt. Aber im Gegensatz zu fast allen Vorgängern, blieb bei mir kaum was hängen während der ersten Durchläufe. Kein Wahnsinn und kein Noise, der so wahnsinnig und so noisig wie auf ihren grössten Hits durchschimmert. Atmosphärisch ist das Album, keine Frage. Also innerhalb der Songs. Unnötige Interludes wie bisschen Ambientgeplucker mit Telefonstimme und Dead Man-artige, einsam vor sich hin dödelnde Gitarren, beeindrucken mich nicht mehr. Haben schon viele andere Bands gemacht. Genug genörgelt. Wir reden hier immer noch von Speerspitzen des komplexeren Metalcores. „1.000.000 Watts“ ist erste Sahne, „Forever Hurtling Towards Andromeda“ heizt in bekannter Manier ein (auch wenn Coalesce-Auspuff Sean Ingram hier eher wie ein abhustender Opa klingt), „IV. The Nexus“ bringt wieder schwere Riffgewitter (nur das mit dem ewigen Ausklang beim letzten Song können sie sich langsam sparen). Gehört gehört.
Need to listen: 1,000,000 Watts / Forever Hurtling Towards Andromeda
4. Dance Gavin Dance - Mothership
Ich bin müde darin zu erklären, warum auch das x-te Album dieser Band bei mir ungefragt hoch dekoriert wird. Ich stehe einfach auf den Sound. Natürlich klingt das seit 3 Alben nahezu identisch. Kann man kritisieren, hat Bestand. Mir egal. Das ist und bleibt meine Arschwackelversion des Posthardcore. Die Lyrics sind cringeworthy, es bleibt auch nicht mehr allzu viel Ironie übrig und das Wechselspiel im Gesang ist nur noch Erfüllungsgehilfe. Dennoch hat sich Tilian als guter Sänger etabliert. „Betrayed By The Game“ ist so simpel wie effizient und hat mir dieses Jahr ziemlich geholfen. „Man Of The Year“ ist einer ihrer ambitioniertesten Tracks der letzten Jahre. „Inspire The Liars“ ist ziemlich super. Also ich finde nach wie vor genügend Material, welches mich dancen und schmunzeln lässt. Danke, Will Swan. Du offensichtlich von Bud Spencer gezeugter Hawaiianer.
Need to listen: Betrayed By The Game / Inspire The Liars
3. The Dillinger Escape Plan - Dissociation
Nur Platz 3? Hmm. Könnte damit zu tun haben, dass ich diese Band in- und auswendig kenne. Und deswegen nicht mehr so leicht von ihr zu beeindrucken bin. Also auf dem Papier. Was die spielen bleibt meinem simplen Musikerverstand nach wie vor verschlossen. Aber die erste Albumhälfte (abgesehen vom gottgleichen Opener „Limerent Death“) hab ich von ihnen so ähnlich schon gehört. Und eben in besser. Auch wenn ich nix gegen Loungejazz-Ausflüge habe, gelingt es ihnen nicht, das Ganze so schlüssig wie sonst für mich zu verbinden. Das alles ändert sich ab „Honeysuckle“. Ab da wuchtet mich ihre Erstklassigkeit an die Wand. Wo ich hin gehöre. Meine Güte, ist „Nothing To Forget“ stark. „Manufacturing Discontent“ wahnsinnig. Der Titeltrack diffus gruselig. Macht’s gut, ihr Irren. Ihr habt den Spirit von Hardcore und Punk auf Studioversionen und im Livewahnsinn schon immer 10 x mehr verkörpert, als es Hatebreed je konnten. Deswegen guck ich euch auf eurer Abschlusstournee noch ein letztes Mal auf die Finger und verneige mich.
Need to listen: Limerent Death / Honeysuckle
2. Every Time I Die - Low Teens
Sollten eigentlich Every Time I Listen To Them, They Won’t Disappoint heissen. Obwohl sie ihren hardcorepunkigen Southern Metal seit Äonen nur in Nuancen ändern, ist dieser Sound so spezifisch und unverkennbar für sie geworden, dass quasi alle Alben ein Selbstläufer sind. Warum mir „Low Teens“ noch besser gefällt als ihre letzte, hat interessanterweise mit der Produktion zu tun. Mal überlegen: Die Letzte wurde doch von Kurt Ballou produziert! Wie kann ich es wagen??? Nun, das stimmt. Und das war auch gut. Nur Kurts zwar direkte, aber untenrum immer ein bisschen dünne Produktionen passen eben hauptsächlich in seinen eigenen Kosmos. Wieviel Druck diese Band zusätzlich erzeugen kann, wenn sie etwas - pardon - fetter produziert wird, verdeutlicht dieses Album eingehend. Unfassbar welche Energie da rüber kommt. Plus Ex-Norma Jean Drummer Davison mit seinen eindrucksvollen Grooves. Und mal eben kein einziger auch nur mittelmässiger Song. Stimmlich ist Buckley in Hochform, switcht so selbstverständlich wie noch nie zwischen seinen stets klugen Cleangesängen und dem heiseren Gefauche, dass man mittlerweile von ihm verinnerlicht hat. Qualität trägt, wie oben erwähnt, einen Namen.
Need to listen: Map Change / Awful Lot