Ich halte es für bemerkenswert, auf welche Weise dieses Thema hier besprochen wurde.
Bei aller berechtigter Kritik am oft eingeschränkten, weil zu sehr auf die eigene Lebensrealität fokussierten Blickwinkel vieler Wissenschaftler*innen in den USA und Europa: Ein "lolusa" klingt nicht nach einer ernsthaften Auseinandersetzung mit DiAngelos Arbeit oder wissenschaftlicher Forschung zu Rassismus generell, sondern eher wie eine Flucht vor einer selbstkritischen Reflexion dessen, wie sich Rassismus in unserer Gesellschaft auswirkt. Es ist ein Privileg, sich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen und die Beschäftigung mit White Supremacy einfach normativ als "postmodern falsches Bewusstsein" wegzuwischen.
Ich gehe nicht mit allen Positionen radikaler antirassistischer Wissenschaft mit und kann mich nicht zu Robin DiAngelos Arbeit im Vergleich zu anderen Autor*innen wie bell hooks, Stuart Hall, Kimberlé Crenshaw oder W.E.B. Du Bois äußern, halte es aber für wichtig, auf einige der hier geäußerten Annahmen und Urteile einzugehen und vielleicht einen anderen Blickwinkel einzubringen. Zumal ich die ursprüngliche Frage von Nathanael_x als aufrichtig verstehe.
“Einen Albaner als überprivilegierten weißen Mann abzutun, hingegen den Saudiprinzen als gebeutelte Minderheit zu lesen, ist nicht sehr klug."
Das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Grundsätzlich ist für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Thematik wichtig, “weiß” und “Schwarz” nicht als Hautfarben zu verstehen, sondern als gesellschaftlich konstruierte Kategorien, die mit Machtstrukturen verflochten sind.
Hier ein einführender Artikel zu Begrifflichkeiten, der hoffentlich weiterhilft (im ZEIT-Artikel wird das allerdings auch schon erklärt).
“Nur darum, dass es sehr Scheiße ist wenn es zum "Rassimusproblem" erhoben wird wenn irgendwo einfach eine weiße Bevölkerung lebt.”
Die Frage ist: Warum sind viele Bevölkerungen so strukturiert? Ist das in Stein gemeißelt oder Ausdruck von historischen Ausgrenzungen und strukturellem Rassismus? Inwiefern wirken sich diese Aspekte auf vielfältigste Weise auf das Leben aus (z.B. Wohnort, Schulbildung, Gesundheitsversorgung und Berufschancen)?
“Muss ich jetzt meine Verwandten in Polen anrufen und ihnen erklären, dass sie White Supermacists sind?”
"Wenn Rassisten Rassisten töten, dann kann's wahrscheinlich keine Opfer geben.”
Auch das verstehe ich völlig anders. Die Frage ist: Was versteht man unter den Begriffen “Rassist” und “rassistisch”? Es geht nicht darum alle
Weißen zu Rassisten zu erklären und beispielsweise auf eine Stufe mit Menschen wie Björn Höcke zu stellen, sondern darum aufzuzeigen, wie rassistische Stereotpye und Strukturen in unseren Gesellschaften etabliert wurden und wie diese wirken. Ich muss kein Rassist sein, um situativ rassistisch denken oder handeln zu können bzw. im Leben von rassistischen Einstellungen geprägt worden zu sein. Auch wenn ich mich aktiv gegen Rassismus engagiere, habe ich als
Weißer innerhalb einer rassistischen Gesellschaft bestimmte Privilegien.
Es geht also absolut nicht um eine Brandmarkung, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Positionierung innerhalb eines rassistischen Systems.
Ganz egal, ob man sich alleine darauf einlässt, das Thema innerhalb der eigenen Familie behandelt oder in der Öffentlichkeit darüber diskutiert: Was spricht gegen diese Auseinandersetzung?