Und dann höre ich eben die Songs JEDES MAL, die ich zwar früher (und früher ist nicht übertrieben, wenn es um Refused "New Noise", Turbonegro "Get it on" und erst recht um Black Sabbath "Paranoid" geht) gerne auf dem Dancefloor zelebriert habe, aber heute kann ich es einfach nicht mehr hören, das ist nur noch Klischee und ich fühle mich einfach wie im falschen Film.GETAWAY, 06.11.2010 22:50
Hey Getaway,
schön, dass du das Thema ansprichst. Das liegt auch mir am Herzen - nach dem gerade gelaufenen, mit zwei DJ-Nächten versehen Wochenende.
Ich verstehe deine Bedenken und deine Kritik und kann mich davon leider so gar nicht frei sprechen. Besonders nicht, wenn es um den letzten VISIONS-Party-Freitag im FZW geht. Das war eine ganz klare Nummer-sicher-Aktion von mir. Die war aus dem misslichen Umstand geboren, dass ein Feueralarm mir die Notfallbeleuchtung im Club beschert hat. Dadurch habe ich die ganze Nacht Blut und Wasser geschwitzt vor Angst, dass mir die Leute wegrennen. Wer tanzt schon gerne im Hellen? Ich hegte die Hoffnung, dass wenn ich die dicksten Hits aneinander reihe, die Leute nicht gehen. Genau so war es dann auch. Die Party lief bis zum feierabend um 5 Uhr. Ich war erleichtert - wenn auch nicht glücklich mit meinem Set.
Nun muss ich zu meiner weiteren Verteidigung aber gestehen, dass der erste Wunsch des Abends - um 0.15 Uhr - tatsächlich "KILLING IN THE NAME" war. Klar, super Song. Aber: Abgestandener geht's wohl kaum. Deshalb hab ich ihn nicht gespielt. Dann folgten Forderungen nach DISTURBED und OFFSPRING, die ich weder erfüllen will, noch kann: Ich hab das gar nicht dabei. Während ich TURBONEGROs "GET IT ON" zum ersten Mal seit Ewigkeiten aus der Mottenkiste geholt habe und REFUSEDs "NEW NOISE" nur auf Wunsch am Samstag lief, während ich mich (trotz des gleichen Wunsches) für "RATHER BE DEAD" entschieden habe. Und - nun ja - "PARANOID" spiele ich wirklich fast immer, weil ich einfach SABBATH liebe, die Leute aber alle anderen Songs mit Ignoranz strafen. (Manchmal gönne ich mir auch einfach mal "CHILDREN OF THE GRAVE".)
Übrigens ging jeder Ausbruch in weniger ausgelutschte Gefilde - etwa BARONESS oder "START TODAY" von GORILLA BISCUITS - mit deutlicher Bewegungsbremsung und Abwanderung von Leuten einher. Was unendlich deprimierend ist. Deshalb gilt die Faustregel: DER DJ SPIELT DIE BESTE MUSIK, WENN NOCH NIEMAND DA IST ODER KURZ VOR FEIERABEND. Dann kann er sich austoben und mal das spielen, wofür sein Herz wirklich schlägt. Aber das funktioniert vor/mit Publikum einfach nicht.
Denn: Vor allen Dingen ist ein DJ ein ENTERTAINER. Es geht darum, jeden bestmöglich zu unterhalten. Am besten klappt das mit Songs, die bestensfalls jeder in- und auswendig kennt. So abgeschmackt das auch oft sein mag. Mal abgesehen davon, dass mein Floor am Freitag (und Smastag)der Mainfloor war. Hier soll der Indie-Fan (Kooks, Wombats, Maximo Park etc.) genau so glücklich werden wie der Metal-Fan (Pantera, Machine Head, Sabbath etc.). Es wäre fatal, wenn ich da ständig auf Egotrips gehen würde. Mal abgesehen davon, dass verzweifelte, unzufriedene, mainstreamigere Besucher mich dann mit Wünschen überschütten würden.
Übrigens: Der erste Wunsch, der mir am Samstag auf der VISIONS-Party in Bielefeld entgegnet wurde, lautete: "Kannst du mal "KILLING IN THE NAME OF" spielen?" Ich dachte, ich sei im falschen Film, ein Deja-vu des Grauens. Hinzu kommt - was die Wünscherin dieses Songs vom Freitag angeht - dass sie dachte, sie sei mit der Einforderung des Songs und der prompten Einlösung dessen, in unabdingbarem Recht. Die Dame hat ein deratiges Palaver gemacht, dass mir beinahe der Kragen geplatzt wäre. Ich bin doch keine willenlose Jukebox, die auf Kommando sofort jeglichen Wunsch erfüllt. Mal abgesehen davon, dass es Songs gibt, die nicht einfach irgendwann gespielt werden, sondern eine Art innewohnendes Timing haben.
Dennoch gehe ich gerne auf Wünsche ein, bemühe mich sie zu erfüllen oder versuche bei dem Lärm und während des Auflegens sachgerecht zu erklären, warum mal was nicht geht oder nicht angebracht ist. Will ja auch kein Arsch sein.
Unterm Strich kann man leider nur sagen, dass sich all das niemals ändern wird und der DJ nur richtig aufblühen kann, wenn er a) keine Wünsche dargereicht bekommt und b) alle Leute darauf einsteigen, was der DJ an Ungewohntem abfeuert. Aber das ist nur eine schöne Utopie.
Liebe Grüße ins Rund, Jan.