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Vielohrentest #7: Goethes Erben - Schach ist nicht das Leben

Amano
So, #7 der Reihe.

Ja, einen Tag zu früh, aber ich weiß nicht, wann und wie ich Morgen dazu kommen soll.

Ich habe nur einen mir unbekannten Streamingdienst finden können, leider:
Stream

Hier muss jeder selber entscheiden, ob er das Angebot dort annimmt.

Ansonsten bin ich gerne bereit, per PN behilflich zu sein.

Vorausgesetzt der Posteingang des Empfängers ist nicht voll, wie zBsp bei Alphex.

Ich bin gespannt auf Eure Meinungen :bigsmile:

Hierum geht's:
Goethes Erben - Schach ist nicht das Leben

VÖ: 1997
1. Die Zeit Ist Auf Der Flucht
2. Keine Farben
3. Gleiten
4. Nur Ein Freund
5. Ein Moment Der Ruhe
6. Nacht Der Tausend Worte
7. Lilien
8. Seelenmord
9. Erkaufte Träume
10. Begrüssende Worte
11. Rot Blau Violett Grün Gelb
12. Farblos
13. Ein Gewinn Für Die Vergangenheit
Alphex
Vorausgesetzt der Posteingang des Empfängers ist nicht voll, wie zBsp bei Alphex.Amano, 14.04.2016 21:10 #


Habe das mal korrigiert.
der_acki
Ups, ich befürchte, ich kann mir das schon wieder nicht anhören. Bitte, bestätigt meine Vorurteile!
Amano
Was erwartest Du denn?
Alphex
Gott, ist das prätentiöser Absud. So stellt man sich in Freiburg bestimmt die Künstlerszene in Berlin vor.
Alphex
Das nimmt sich definitiv drei, vier Spuren zu Ernst. Bandname + gesprochenes Intro + Songtitel = naja weißte. Klingt halt eher wie vertontes Theater, als Libretto würden die Texte auch weniger nerven. Und wieso ist das alles so dermaßen leise?

Die Musik ist halt maximaler Nebenschauplatz, weshalb ich dazu reichlich wenig sagen kann, da sich Künstlersohn Wiebke mit konsequenter Penetranz in den Vordergrund und ans Rednerpult drängt, exaltiert durch die schrottige Frise fährt, und schweißgebadet seinen Mist absondert. Die Momente, wo mal die Musik im Vordergrund steht, sind sogar ganz gut, aber dieses ewige stop & go-Gedöhns, Musik, Poetry-Slam, Musik, theatralisches Leiden, Musik, expressionistisches Nacktbaden, das ist einfach etwas, was für mich als Komposition und für daheim überhaupt keinen Sinn macht - und zudem massiv ennervierend. Instrumente und Stimme stehen nebeneinander, sich gegenseitig im Weg, und das ist nicht mein Verständnis von Musik.

Bei "Erkaufte Träume" und vor allem bei "Seelenmord" klappt es annähernd mit dem Zusammenspiel, und Wunder oh Wunder, offenbar hat die Band ja auch einen entsprechenden Gothic/Darkwave-Hintergrund. In dem Kontext greift das Ganze deutlich eher ineinander als bei dieser pseudo-Kleinkunstbühnenmusik mit Mittelalter-Flair und einem Waschzuber voller Scheiße. (Übrigens erinnert mich "Seelenmord" gerade gegen Ende ein wenig hieran - aber das hat Humor, Leichtigkeit, und einen Refrain.) A propos erinnern, a propos Mittelalter: "Rot Blau Violett Grün Gelb" erinnert mich an den Soundtrack von Simon The Sorcerer 2 - wäre halt dieses Geschnatter im Vordergrund nicht.

"Nacht der tausend Worte" fand ich stellenweise auch ganz okay (woher ist die Klaviermelodie geklaut?), aber die Schnapsidee, auf den Text zu achten, hatte ich auch nur einmal. Das ist ein so dermaßenes wichtigtuerisches Gedöhns, furchtbar. "Mmmmmh, Eigenurin, lecker! Denn jeder Mist, den ich ver- und abzapfe, ist der pure Genuß!" Herzlichst, ihr Mikrofonprofessor. Der Longtrack rechtfertigt seine 11 Minuten natürlich auch genau gar nicht, da die selben zwei (!) Parts immer wiederholt werden - mit anderem Text und anderen Streichertexturen, aber Himmel, verglichen damit haben Maiden in den letzten Jahren ja geradezu Punkrock gespielt. Wiebke, ist ja gut jetzt, wir haben verstanden - schon vor 8 Minuten. Ach, und jetzt auch noch mal spoken word als Outro. Geh wek.

Wie gesagt, schade um einige musikalische Elemente, aber für schwafelnde Hörspiele der Waldorfschule Freiburg höre ich keine Musik. Vielleicht sind die Manowar-Fans des Forums ja gnädiger.

Achja, Bewertung. Nun, was den Unterhaltungsfaktor angeht - vor Nightwish, aber hinter dem Lindsay Lohan-Album.

Zuletzt geändert von Alphex

der_acki
Was erwartest Du denn?Amano, 14.04.2016 22:23 #

alphis Ausführungen decken schon mal den Großteil meiner Erwartungen ab.
Amano
@ Acki: darum ist es immer gut, wenn man hier vorher nicht reinliest :tongue:

@ Alphex: hättest'de mal dein Postfach länger voll gelassen :wink:
Go Ahead Eagle
Hab heut morgen mal spontan einen Durchlauf gestartet...

Goethes Erben also. Aha. Kenn ich nicht. Den Namen ja, die Musik nicht.
Denke direkt an düsteren Gothic Rock. Deine Lakeien, irgendwas lateinisches, Kerzenschein.
Start. Warum ist denn das alles hier so leise? Hab ich was falsch gemacht? Laptop kaputt?
Ein Gedicht. Intro halt. Ok.
Musik startet. Songschreibersachen. Sowas wie Reinhard Mey vielleicht? Kammermusik?
Und dann kommt diese prätentiös phrasierende Stimme.
Was soll das? Spokenword? Wurde da ein Theaterstück aufgenommen?
So singt/spricht doch kein Sänger.
Das ist von der Bühne, für die Bühne. Beschallung eines kleinen Kammerspiels.
Auf die Texte achte ich gar nicht erst und lasse mich beschallen.
Aber: Es passt so einfach nicht zusammen.
Ein Theaterstück hören funktioniert nicht.
Die Musik lesen kriege ich nicht hin.
Das Zusammenspiel ohne Bild passt nicht.
Würde ich die Live auf ner Bühne mal zufällig erwischen, würde ich interssiert stehen bleiben.
Hören allerdings werde ich von Goethes Erben nichts mehr. Haken dran.

Interessante Wahl Amano. Den Horizont ein klein wenig erweitert.
Fennegk
Okay, bin also dank urlaubsbedingter Wachheitsverschiebung dazu gekommen und muss mich all den vorherigen eher kritischen Stimmen anschließen. Nicht, dass das nicht irgendwas hatte, aber die Spezialität lag irgendwie im Speziellen.
Gemeinhin zu "kantig", feine Ideen aber auch anwesend.
WitweBolte
ich hab schon mal ein bisschen reingehört.. da brauch ich noch ein wenig.

hab ich schon erwähnt, dass du ein ganz lieber bist? vergiss das bitte nicht, wenn ich dann meine kritik reinstelle :wink:
OneFingerSalute
Habe schon lange keine Musik mehr erlebt, die nach meinem Gefühl so weit von meinen Hörgewohnheiten entfernt ist. Art des Textvortrags, Grundstimmung, Instrumentierung, damit kann ich echt nichts anfangen. Fiel mir sogar schwer, das länger als ein paar Minuten am Stück anzuhören. Ganz seltsame Musik, regelrecht unangenehm anzuhören für mich. Wäre ich ohne diese Aktion und Amano vermutlich niemals bewusst mit in Kontakt gekommen. Kommt in die Schublade mit dem dem Etikett "Horizonterweiterung".
Fennegk
ich hab schon mal ein bisschen reingehört.. da brauch ich noch ein wenig.

hab ich schon erwähnt, dass du ein ganz lieber bist? vergiss das bitte nicht, wenn ich dann meine kritik reinstelle :wink:WitweBolte, 18.04.2016 12:29 #

:cool:
Amano
was ich jetzt mal so nach bald 4,5 Tagen Laufzeit mitnehme:
1. das Wort "Horizonterweiterung" wurde bisher noch nie so oft benutzt :cool:
2. hat es bisher noch nie so wenig Rezensionen nach dieser Laufzeit gegeben :hm:
Woas Sois...
Ich komme noch, keine Angst.
OneFingerSalute
1. das Wort "Horizonterweiterung" wurde bisher noch nie so oft benutzt :cool:Amano, 19.04.2016 09:48 #


Wollte dem ganzen irgendwie noch was Positives abgewinnen, haha :cheers:
Amano
1. das Wort "Horizonterweiterung" wurde bisher noch nie so oft benutzt :cool:Amano, 19.04.2016 09:48 #


Wollte dem ganzen irgendwie noch was Positives abgewinnen, haha :cheers:OneFingerSalute, 19.04.2016 09:50 #


hahaha - :drohen:

:wink: :cheers:

@Woas: bisherigen Rezensionen nach zu urteilen müsstest du derjenige sein, der Angst hat, höhö
FaithAndHope
Puh, da hast du uns aber mal was geboten...
Ich kann dazu noch gar nicht viel sagen und ich bin ja eher selten sprachlos...
Gib mir noch etwas zeit bitte! :agree:
Amano
hier eine Rezi, die mir Peter zukommen ließ:

"so - hab das ding jetzt 2x (nicht am stück, das ging nicht) durch - und hab irgendwie das gefühl gar keine richtige musik gehört zu haben?!?
mehr oder weniger ein laientheaterstück mit einen geschwollen daherlabernden alphex ( :) ) an vorderster front im rüschenhemd, dazu ein paar musikalisch wenig talentierte hintergrundfiguren, die mal eben spielen was am hofe nicht so wirklich dazupasst. aber darum gehts auf dem werk wohl auch nicht. also um musik. leider.
horizonterweiterung (wie so einige hier das nett gemeint umschrieben, haben, mMn verpacken die diesen mist nur etwas schöner für den threadersteller) ist das in meinen ohren keine. eher folter. sorry.
das bitte nicht persönlich nehmen - du hast das ja nicht erschaffen, sondern lediglich ausgewählt. und das war für mich eben ein griff ins klo. kann man nichts machen, ist aber auch nicht weiter tragisch. ich werde den namen goethes erben abhaken und vergessen, da interessiert mich auch kein anderes werk mehr ..."
Amano
jetzt schreib ich mal kurz was dazu:
warum dieses Album? Zum einen wollte ich kein Konsens-Album bieten, zum anderen dachte ich nun wirklich nicht, dass die "Stimme" den Leuten solche Schwierigkeiten bereitet.
Ich sehe GOETHES ERBEN als Musik mit einem "Sprecher" statt Sänger. Ähnlich wie Tom Waits und zum Teil Nick Cave.

Die Band stand also früh fest, davon dann ihr "zugänglichstes" Werk. Dies stellt auch das "White Pony" oder "Aenima" der Band dar. Zuvor ging es in den Songs fast ausschließlich um Tod, Apokalypsen und sonstige Fröhlichkeiten. Denn ja, diese Band ist tief im Gothic/Dark Wave verwurzelt.
Ab diesem Album hatten sie ihren neuen Stil, der auch "positive" Musik zuließ und die Themen der Texte stark erweiterte.
Klanglich schreckten sie aber nie vor Experimenten zurück (auf anderen Alben; nich auf "Schach...")

Das Album hat aber noch eine andere Bedeutung für mich. Zu meiner Goth-Zeit (nur musikalisch, nicht was den Kleidungsstil betrifft) hörte ich viel von denen, Lacrimosa, Deine Lakaien etc., als die Ankündigung einer "Schach ist nicht das Leben"-Tour hereinflatterte. Damit konnte keiner was anfangen, denn ein Album diesen Namens gab es (noch) nicht. Wie wir später feststellten, gingen die Erben immer erst auf Tour und veröffentlichten im Anschluss das entsprechende Album.

Wir kamen in der Halle an und bekamen erstmal einen Zettel in die Hand gedrückt: "die Goethes Erben laden zum Musiktheaterstück". Aha, weiter wurde der Inhalt dieses Stückes beschrieben. Die Reise eines Menschen, der gefühllos im Schwarz/Weiß lebt und im Laufe der Zeit erst die Farben=Gefühle finden muss, bis er in einer bunten Welt endet.

Die Songs waren also thematisch aneinander verknüpft. Und dann kam die Band raus und mir blieb bis zum Ende die Kinnlade in Kniehöhe! Die Energie und Intensität von Herrn Henke ("Sänger") sucht seines Gleichen. Er springt wie ein tasmanischer Teufel umher, springt ins Publikum und zurück, packt Leute wörtlich am Schlawittel und scheut sich auch nicht Verletzungen in Kauf zu nehmen. Sowas habe ich nie zuvor (oder später) gesehen. Er LEBT das regelrecht auf der Bühne.

Gleichzeitig kann man viel lachen, weil der Herr in den Ansprachen zwischen den Songs es immer wieder schafft Witze zu reissen. Ernsthaft. Das wirkt zuweilen surreal, aber intensiviert nur das Erlebnis.

Somit kann ich verstehen, wenn Leute schreiben diese Musik sei etwas für die Bühne. Ich habe dieses Album Live kennengelernt und habe deshalb einen anderen Zugang dazu.

Zuletzt haben sie das Wort Musiktheaterstück wörtlich genommen und zwei riesige Produktionen auf die Bühne gestellt. Mit Tänzern, Schauspielern, aufwendigem Bühnenbild und eben Musik. WOW!

Bis heute gehören sie zu meinen wichtigsten Lieblingsbands.

Hier eine Live-Aufnahme:


hier ein sehr gelungenes Nick Cave-Cover (Sitz der Gnade = Mercy Seat)


Und wer es sich mal richtig geben will: hier eine Vertonung einer Kurzgeschichte (16 Minuten lang) mit wechselnder Musik und Stimmung. Großartig!