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Baron von Quakenbrück
@baron
innerhalb des systems hast du natürlich recht, und das ist ja das fatale daran.
eine vernünftige spezies würde für ein problem immer die rationalste lösung zu finden versuchen, und das in abhängigkeit von einsatz und nutzen.

dass der einsatz fast ausschließlich monetär bemessen wird, ist zunächst mal ein systemproblem. hinzu kommt, dass innerhalb des systems milliarden an der falschen stelle ausgegeben werden, weil es sich aktuell so entwickelt hat, dass dort die höchsten gewinne eingestrichen werden. wenn diese jedoch nicht rein monetär, sondern z.b. ganz allgemein mit mehr lebenskomfort für alle und ökologischer unschädlichkeit bemessen würden, sähe die rechnung schon ganz anders aus.etienoir, 16.10.2016 14:26 #

Nicht-monetäre Faktoren werden schon längst in die Entscheidungsfindung miteinbezogen, die Nutzwertanalyse wäre nur ein Beispiel dafür. Ich glaube aber auch, dass das Geld bzw. dessen Verteilung weniger das Problem sondern vielmehr nur Symptom sind. Menschen sind doch von Natur aus darauf bedacht, den größtmöglichen Nutzen für sich selbst zu ziehen. Nachhaltigkeit mag zwar hier im Forum beispielsweise eine wichtigere Rolle spielen, aber ich habe starke Zweifel, dass das für die gesamte Gesellschaft gilt. Jeder definiert den Nutzen für sich anders. Der eine will flexibel sein, der andere möglichst selbstbestimmt. Wenn das Auto ihm das bietet, dann gibt es für ihn keinen Grund, Alternativen zu nutzen. Das meinte ich damit, dass es für mich weniger eine Frage des Geldes sondern der Bequemlichkeit ist. Die Politik hätte zwar die Möglichkeit, auch ohne Konsens in der Bevölkerung Entscheidungen zu treffen, aber die Quittung bekommst du spätestens bei der nächsten Wahl, wenn Opportunisten ihre Chance wittern (bspw. AfD zur Flüchtlingskrise). Ich wüsste nicht, wie man sich davon frei machen sollte.
AERPELSCHLOT
So, Film jetzt gesehen. Mein Urteil lautet glasklar schuldig. Es geht um eine juristische Entscheidung und die kann und darf nicht anders ausfallen. Über das Plädoyer des Anwalts habe ich nur den Kopf schütteln können.
Woas Sois...
Gut, juristisch schuldig, das war eigentlich nicht das, was mich da umtreibt. Das ist relativ eindeutig.
So blöd fand ich das Argument des Verteidigers aber gar nicht. Ob Prinzipien immer über allem stehen.
Taisumi
Mein Urteil: Freispruch!
AERPELSCHLOT
Gut, juristisch schuldig, das war eigentlich nicht das, was mich da umtreibt. Das ist relativ eindeutig.
So blöd fand ich das Argument des Verteidigers aber gar nicht. Ob Prinzipien immer über allem stehen.Woas Sois..., 17.10.2016 21:53 #


Ja.

Geben wir in dem einen Fall das Prinzip auf, können wir uns unendlich viele andere Fälle ausdenken, in dem wir das Prinzip ebenfalls aufgeben müssen.

Mit viel Phantasie könnte man sich sogar eine Situation ausdenken, in dem 6 Millionen gegen 80 Millionen aufgewogen werden können (ihr wisst, worauf ich anspiele).

Wenn ich mir dann anschaue, daß 87% in unserem Land der Meinung sind, daß dieses Prinzip leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf, dann gruselt es mich. Und es gruselt mich sogar so, daß ich gerade zitternde Hände habe. Eigentlich möchte ich in so einer Gesellschaft nicht leben.

Zur Diskussion bei Plasberg: Wir brauchen mehr solcher Leute wie den Baum.
Woas Sois...
Hmm, nur weil wir derzeit ganz gute Prinzipien haben, muss man ja nicht gleich der Meinung sein, dass Prinzipien immer über allem stehen. Vor 80 Jahren hatten die auch "Prinzipien" (perverse, verdrehte). Und Befehl war Befehl, nee?
AERPELSCHLOT
Ich sags doch, Gerhart Baum for President.

Sein Argument: Wir dürfen es nicht zulassen, daß Terroristen unsere Verfassung außer Kraft setzen.

Genau das.

Es ist die Entscheidung der Terroristen, daß 70.000 sterben. Wir dürfen dem nicht entgegen setzen, daß wir entscheiden, 164 Menschen zu töten. Genau so ist es doch mit der Todesstrafe. Aus Respekt vor der Würde des Menschen haben wir keine Todesstrafe bei uns. Wenn uns die Würde jedes einzelnen wichtig ist, darf sie uns nicht egal sein, nur weil es sich um einen Kinderschänder und Massenmörder handelt. Der Staat darf den Täter nicht umbringen. Und erst recht darf der Staat und auch keiner seiner Repräsentanten Unschukldige umbringen, in keinem einzigen Falle.
OneFingerSalute
Wie das Ende bei einem Schuldspruch ausgesehen hätte? Bitteschön.
Woas Sois...
Ich sags doch, Gerhart Baum for President.

Sein Argument: Wir dürfen es nicht zulassen, daß Terroristen unsere Verfassung außer Kraft setzen.

Genau das.

Es ist die Entscheidung der Terroristen, daß 70.000 sterben. Wir dürfen dem nicht entgegen setzen, daß wir entscheiden, 164 Menschen zu töten. Genau so ist es doch mit der Todesstrafe. Aus Respekt vor der Würde des Menschen haben wir keine Todesstrafe bei uns. Wenn uns die Würde jedes einzelnen wichtig ist, darf sie uns nicht egal sein, nur weil es sich um einen Kinderschänder und Massenmörder handelt. Der Staat darf den Täter nicht umbringen. Und erst recht darf der Staat und auch keiner seiner Repräsentanten Unschukldige umbringen, in keinem einzigen Falle.AERPELSCHLOT, 17.10.2016 22:15 #


Ich bin ja im Prinzip der Meinung. Ich will auch keine Militarisierung des Denkens hier. Ich wetze nur meine Ansichten an der oft unwägbaren Realität.
JakeofallTrades
Florian Davitz Fitz sieht in Uniform aber schon verdammt gut aus. Manipulation!
AERPELSCHLOT
Ich bin ja im Prinzip der Meinung. Ich will auch keine Militarisierung des Denkens hier. Ich wetze nur meine Ansichten an der oft unwägbaren Realität.Woas Sois..., 17.10.2016 22:24 #


Dafür gibt es ja eine Verfassung. So unwägbar und chaotisch die Realität ist, brauchen wir einen klaren und zu beachtenden Leitfaden. Die Verfassung ist in dem Falle eindeutig, was ja auch das Bundesverfassungsgericht so entschieden hat.
AERPELSCHLOT
Noch ein Punkt zu dem Film incl. Abstimmung an sich?

Erst einmal hab ich den Ansatz, daß Publikum als Schöffen zu nehmen und dann das entsprechende Urteil zu verkünden, nicht völlig falsch gefunden. Baum hat irgendwo gesagt, daß er es nicht mag, daß quasi über unsere Verfassung abgestimmt werden soll. Das stimmt, aber nur so lässt sich doch mal aufdecken, wie weit es mit der Verfassungstreue bzw. -kenntnis der Leute ist. Das war schon erhellend. Unglücklich finde ich, daß der Richter das entsprechende Urteil dann auch noch begründen durfte. Da haben wir ein Verhältnis von 1:7 in eine der beiden Richtungen. Alleine das wird die meisten schon in Richtung "siehste, hab ich doch Recht gehabt" denken lassen. Dann kommt noch der Richter daher und begründet das irgendwie juristisch. Damit schalten die 7 doch ab und sehen sich vollkommen im Recht und so ist doch eine Diskussion mit den 7 nicht mehr möglich und hinterfragen werden die sich doch auch nicht mehr. Das kann doch so auch nicht gewollt sein.
Baron von Quakenbrück
Oje, ich glaube, ich brauche eine Woche internetfrei. Jetzt fangen Leute schon an mit heiligen Opfern zu argumentieren.
AERPELSCHLOT
An welcher Stelle siehst du das?
Woas Sois...
Dafür gibt es ja eine Verfassung. So unwägbar und chaotisch die Realität ist, brauchen wir einen klaren und zu beachtenden Leitfaden. Die Verfassung ist in dem Falle eindeutig, was ja auch das Bundesverfassungsgericht so entschieden hat.AERPELSCHLOT, 17.10.2016 22:31 #


So eindeutig ist die Verfassung im ganzen nicht. Artikel 1 ist eindeutig. Nimmt man mal das Fernmeldegeheimnis, das könntest du im Prinzip aus dem Grundgesetz streichen, macht in der Realität keinen Unterschied.
Und auch über Artikel 1 darf man nachdenken. Das GG ist nämlich nicht der Koran. Ich finde den Artikel richtig, würde ich jederzeit so unterschreiben. (Ich hab sogar ein Gelöbnis abgelegt :floet:)
Trotzdem bleibt er Menschengemacht.

Und Aerpel, irgendwie kaufe ich dir nicht ab, dass du jeden Artikel des GG glühend verteidigst :floet:
"137 (6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben."
Go Ahead Eagle
Meiner Meinung nach ändert sich die Szenerie komplett, als der Flieger den Sinkflug aufs Ziel: Stadion beginnt.
Hier sind nun alle vorher getätigten Befehle nichtig und ein neuer ist zwingend erforderlich.
Durch die 28 Minuten Schweigen und die Nicht-Evakuierung wird Koch bewusst in die Enge getrieben und eine Reaktion provoziert, mit deren einziger Lösung klar zu rechnen war.
Es ist nicht die Schuld Kochs, dass er sich für die moralisch fragwürdige, mathematisch logische und einzig menschliche Lösung entscheidet: nämlich 164 gegen 70164 Tote aufzuwiegen und 70000 Menschen zu retten.
Er war das letzte Glied in einer Kette katastrophaler Fehlentscheidungen und gleichzeitig das erste Opfer.

Vor Gericht gehört die ganze Kette der Befehlshaber, die Koch entsprechend manipuliert und die unabwendbare Katastrophe provoziert hat, um selbst eine weiße Weste zu behalten. Angefangen mit dem Vorgesetzten, weiter bis zum Verteidgungsminister.
Colfax Road
ich bin tendenziell eher bei "schuldig" bzw. "nein, er hätte nicht Leben gegen Leben abwägen dürfen". auch, wenn die Konsequenz lautet, dass dann sowohl die Flugzeuginsassen als auch die Stadionbesucher (höchstwahrscheinlich...) sterben. dabei bleib ich stark an der Überlegung hängen, was nun moralisch schwerwiegender ist, die aktive Handlung eines Abschusses oder das passive "Gewährenlassen" ohne Abschuss. extrem schwierig zu differenzieren, aber ich glaube für mich wiegt der aktive Abschuss schwerer, ist also als moralisch verwerflicher einzustufen. wenn der Pilot nicht geschossen hätte, bleibt für mich die Schuld nicht bei ihm, sondern bei den Terroristen, denn sie sind diejenigen, deren Absicht es ist, die Menschen zu töten. Mitschuld tragen für mich dann eher auch diejenigen, die eine Übernahme des Flugzeugs ermöglicht bzw. nicht verhindert haben. am Ende komm ich aber immer nur bei einer Tendenz raus, denn in diesem Szenario gibt es letztendlich keine allumfassend richtige Entscheidung.

davon abgesehen gibt es in dem Stück eine Argumentation, die ich so irgendwie nicht gelten lassen kann. nämlich die, dass man mit einer Verurteilung dem Terrorismus Tür und Tor öffnen würde. Terroristen sind nämlich auch mit einem abgeschossenen Flugzeug "zufrieden", ergo würde ein rechtlich legitimierter Abschuss keinen Terroristen davon abhalten, eine Maschine zu kapern. Terroristen/Selbstmordattentäter streben auch danach, in einem belebten Cafe 20 Menschen mit in den Tod zu reißen, da ist es für sie kein Hindernis, wenn sie mit einem Flugzeug wahrscheinlich kein noch größeres Ziel mehr erreichen könnten. bitter aber so verquer denken sie ja nun mal.
Baron von Quakenbrück
An welcher Stelle siehst du das?AERPELSCHLOT, 18.10.2016 03:26 #

Nee, nicht hier. Das hatte ich woanders gelesen und mir kam dabei Galle hoch.
Go Ahead Eagle
am Ende komm ich aber immer nur bei einer Tendenz raus, denn in diesem Szenario gibt es letztendlich keine allumfassend richtige Entscheidung.Colfax Road, 18.10.2016 08:34 #

Wohl wahr.