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Platten

Dekaden-Charts - die Neunziger

affenkind
6

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the chemical brothers - "surrender" (1999)


?????????????????

Hahaha. Reingelegt! :jester:
natürlich ist "Surrender" weder "böse" noch die Bohne Metal, sondern psychedelisch wabernder Break- und BigBeat, der öfter mal in die Technodisco schielt - Hey Boy Hey Girl ist auch heute noch unfassbar intensiv wie eingängig; Under the Influence ein süchtig machender Elektronikbatzen. Für mich immer noch ihr bestes Album; live sind TCB allerdings noch eine Spur großartiger.-pmh-, 19.05.2020 10:59 #


Grossartiges Album und wie Du schon sagst Live noch besser - ein schweisstreibendes Ereignis. Sehr zu empfehlen auch die im letzten Jahr erschiene Surrender 20 Box.

Out Of Control (The Secret Psychedelic Mix) = 21 Minuten absolute Ekstase :bow::elefant:
Crackerman
SpiritualizedLadies and Gentlemen We Are Floating in Space (1997)

#10 #number one #greatest rock bandDonnerjakob, 18.05.2020 19:50 #

Tolles Album, aber wie unzählige tolle Alben viel zu lange nicht gehört.
Sehr schöner Text. Vielleicht sollte ich sie gerade jetzt mal wieder mit deinen Ohren hören :gimmefive:.
Woas Sois...
Type O Negative - Bloody Kisses 1993, Roadrunner

Vom Sound her haben wir Gothic Beatles die Doommetal für MTV spielen. Und früher HC-Kids waren.
Und, Hell Yeah, die Welt brauchte das.
Peter Steele, ne sehr streitbare Person, aber kein Anselmo, spielt Bass wie ein Paul auf Tranquilizers.
Und singt wie ein Ozzy als Crooner.
Josh Silver sprudelt über vor Greativität, nebenbei rettet er noch das Debut von Life of Agony vor der Belanglosigkeit. (Leider nur Zeitschinderei).
Unter tiefsten Zynismus und Abscheu vor der Gattung Mensch fand sich immer Zeit für einen catchy Refrain.

Und die Produktion ist heute noch State of the art.

Anspeibtipp: Christian Woman
fennegk
Steht da wirklich "Anspeibtipp"?
Davon ab: Kann man bei mir mit Fug und Recht als elftplatzierte 90er-Platte bezeichnen... ganz knapp nicht drin gewesen.
-pmh-
Type O Negative - Bloody Kisses 1993, RoadrunnerWoas Sois..., 22.05.2020 16:14 #



bläck, bläck, bläck, numbäääea won! :cheers:
slow, deep & hard: der titel des (ebenso starken) vorgängeralbums beschreibt den type o - sound nahezu perfekt.
Harry Gant
Type O Negative - Bloody Kisses 1993, RoadrunnerWoas Sois..., 22.05.2020 16:14 #



bläck, bläck, bläck, numbäääea won! :cheers:
slow, deep & hard: der titel des (ebenso starken) vorgängeralbums beschreibt den type o - sound nahezu perfekt.-pmh-, 22.05.2020 18:03 #

Stimmt soweit, aber wenn irgendjemand meine Gefühle in Worte fassen kann, dann er:klugscheiss:

Das nächste mal schicke ich Woas meine Liste vorab und er darf der Ghostwriter sein.
LarryRansomInferno
The Cranberries - No Need To Argue

Oh Dolores, ich hätte dich geheiratet, ohne dich jemals gesehen zu haben. Deine Stimme, und deine Art sie einzusetzen, hatte mich sofort mit einem Schlag verzaubert und bis heute nicht wirklich losgelassen. Gut, damals war ich 11 und ich zweifle ein wenig daran, ob ich die allerbesten Chancen gehabt hätte, auch angesichts der sonstigen Baustellen, die du zu der Zeit in deinem Leben hattest. Da wäre ein präpubertärer Winzling wie ich nur lästig gewesen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch tief in der "Ausbildung" steckte und ziemlich ortsgebunden war. Keine gute Partie für einen Rockstar wie dich.
Das habe ich damals schon realisiert und schlussendlich auch sehr gut verkraften können. Ich hatte ja dieses Album und deine Stimme, die Töne kunstvoll in Luftballontiere verbiegen konnte, ehe sie diese auf den Weg (zu mir) schickte. Klar, kompromisslos, und doch geschmeidig, voller Zärtlichkeit.
Über 25 Jahre ist das jetzt her. Wir sind beide älter geworden, vielleicht auch reifer. Bis du irgendwann ausgestiegen bist. Viel zu früh, mit nicht einmal 50. Was für eine Verschwendung. Was für eine Ungerechtigkeit.
No need to argue? I don't think so.
-pmh-
5

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portishead - "roseland nyc live" (1998)

portishead oder dummy ? für mich ist diese frage nicht zu beantworten - und daher ist dieses livealbum der beste kompromiss:
eine spur wärmer, beinahe euphorisch und mit einem 35-köpfigen orchester im rücken, streiften portishead in diesem juli 1997 durch elf ihrer besten songs bis dato - wer bei cowboys, diesem tanz am rande des abgrunds aus triphop, der bittersüßen stimme von beth gibbons und dem duell der gitarre vs. scratching im hintergrund nichts fühlt, sollte sich am besten wieder in seinen sarg legen.
es sind diese kleinen, aber wesentlichen details, die hier oft im hintergrund passieren - kleine orchesterverzierungen, die omnipräsente und dennoch nie greifbare stimme von beth, die hier kettenrauchend und gelassen mitten im sturm der instrumente ihre texte an das (leider oft zwischen den songs ausgeblendete) publikum bringt - genau deshalb geht der griff im regal gerne an den ersten beiden longplayern vorbei in richtung livedokument.
und weil auch dieses nicht 100 %ig fehlerfrei über die bühne geht, macht das die downbeatmaschine portishead beinahe menschlich - ich hoffe nur, dass die geschichte nach nur drei studioalben nicht gänzlich aus und vorbei ist - das wären dann wirklich sour times.

Zuletzt geändert von -pmh-

-pmh-
4

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pj harvey - is this desire? (1998)

Crazy Polly hat nach dem fast schon zugänglichen wie grandiosen "To Bring you my love" wieder die Krallen ausgefahren - und das steht ihr mindestens genauso gut zu Gesicht, wie ihr Gesang immer noch eine Herausforderung für radioverwöhnte Ohren darstellt.
Schwebend, dabei alle Sinne gleichzeitig betörend wälzen sich die nächtlichen Alptraumkandidaten über alle Zuhörer hinweg; speziell der Opener Angelene sowie das beinahe schwelgerische The River begeistern mit einer Leidenschaft, die einem immer wieder an persönliche Abgründe heranführt und dabei den Körper von oben bis unten, vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen mit einer wahren Armada an Gänsehaut eindeckt.
Nicht weniger fesselnd vermag The Garden mit den Gedankengängen eines jeden Einzelnen von uns zu spielen – ein sanfter Beginn gleitet mithilfe spacig-wabender Klänge immer weiter voran, bricht dann nahezu ab, nur im sich im nächsten Augenblick wieder wehmütig aufzubäumen. dazwischen wird man mit kurzen, oft auch verstörenden Minuten aufgeschreckt - spannend, unberechenbar sowie intensiv bleibt Is this Desire? aber auch in schweren Momenten.
Hat man diesen spartanischen Höllentanz in den elf oft zu kurzen tracks bisher irgendwie überlebt, so leistet der disharmonische und treffend betitelte Störenfried No Girl so Sweet quasi die akustische Sterbehilfe - solche "Überraschungen" sind im hause Polly Jean ja nie ausgeschlossen.

(um es mit fremden federn abzurunden ... entschuldigens, bitte...)
Auch wenn's manchmal schwerfällt: Es lohnt immer, sich mit diesem enfant terrible unter den jüngeren Rock-Ladies auseinanderzusetzen. Auch "Is This Desire?" ist Spannung pur. Ihre sinisteren Selbstreflexionen spielte Polly Jean diesmal mit den Produzenten Flood und Marius de Vries ein. Die machen ihrem Ruf als Spezialisten für avantgardistische Elektronik einmal mehr alle Ehre: mit düsteren Synthie-Wolken und Blubber-Bässen, zähflüssig wie Lava. Drumherum regiert die bewährte, beklemmende Harvey-Mischung aus Zuckerbrot (sanfte Pianoklänge) und Peitsche (verzerrte Gitarren) © Stereoplay

Zuletzt geändert von -pmh-

Jack Crabb
pj harvey - is this desire? (1998)

Ein Name, den ich, wenn ich nichts überlesen habe, schon länger erwartet hatte und auch defintiv hier rein gehört. :smile: Vermutlich hätte ich eher "To Bring You My Love" gewählt, aber man kann das Schaffen dieser Frau ohnehin schwer auf 2-3 Alben reduzieren. Guter Text wiedermal.-pmh-, 23.05.2020 09:54 #
JustusMeinFreund
Viel zu wenig Metal in Peters Liste bisweilen.
Auf den letzten Rängen erwarte ich mir Sepultura, Abigor, Enslaved, irgendsowas.
Jack Crabb
Ich bin nun auch mal endlich dazu gekommen, meine Liste fertig zu posten. Aufgewachsen bin ich musikalisch zwar in den 00er Jahren, ich habe in meiner Jugend dennoch, besonders inspiriert durch das Visions lesen, früh begonnen dieses Jahrzenht, quasi retrospektiv, aufzusaugen, weswegen die 90er für mich letztendlich auch irgendwie sehr prägend waren. Wie auch schon in den vorherigen Dekadencharts, verzichte ich auf ein Ranking. Eventuelle Rechtschreibfehler bitte zu entschuldigen.:smile:




Public Enemy Fear Of A Black Planet (1990, Def Jam/ Columbia Records)

30. Oktober 2010: ich befinde mich auf dem Weg zum Dresdner Messegelände. Die Altherren-Rapper von Public Enemy haben sich doch tatsächlich in die sächsische Landeshauptstadt verirrt und ich habe eine Karte! Von der Location hab ich allerdings noch nie gehört. Aus dem Bus ausgestiegen, glaube ich, mich gemeinsam mit ein paar Anderen zum richtigen Ort zu bewegen. Doch Fehlanzeige, das Konzert findet im ca. sieben Kilometer entfernten Eventwerk statt. Mit den Öffentlichen um die Uhrzeit in unter 40 Minuten kaum zu erreichen. Uff. Also fix ein Großraumtaxi bestellt und nichts wie hin. Als ich ca. gegen 21 Uhr die Halle betrete, ist diese vielleicht zu einem Drittel gefüllt. Es folgen 3 (!) lange Stunden des Ausharrens inklusive langweiligen, merkwürdigen und zum Teil improvisierten Vorprogramm, plbis irgendwann kurz nach Mitternacht plötzlich die komplette Public Enemy-Mannschaft auf der Bühne steht. Zusammenfassen kann man den Abend mit: viele Hits, eine kleines, aber frenetische feierndes Publikum und ein Flavor Flav, der seine Schlagzeug-Künste unter Beweis stellt. Oder anders formuliert: solide mit einigen unterhaltsamen Passagen. Manchmal ist dabei sein einfach Alles. Und „Fear Of A Black Planet“? Meine ultimative Initialzündung in Sachen Rap. Ich musste erst mal den Alten zuhören und mir erzählen lassen, dass ja früher Alles besser war, ehe ich begreifen konnte, dass dieser Haftbefehl die gleiche Daseinsberechtigung hat. Dieses Album löste einen Knall aus, der noch heute in meinen Ohren klingelt. Was die Polit-Rapper auf ihrem dritten Streich an Geschützen auffahren, geht auf keine Kuhhaut. Chuck D predigt ohne Punkt und Komma und das selbsternannte „Bombenkommando“ braut ein wildes, lärmende Chaos zusammen, dass dreist und hemmungslos die Musikgeschichte plündert. Damals wie heute aufregend!





Sonic Youth Goo (1990, Geffen Records)

Die New Yorker Noise-Götter dürfen auch in meiner Liste auf gar keinen Fall fehlen. Und auch bei der Wahl des richtigen Albums führt (jedenfalls für mich) kein Weg an „Goo“ vorbei. „Daydream Nation“, „Sister“ und „Evol“ hatte ich schon längst verinnerlicht, als ich mich doch noch an den vergleichsweise „poppigen“ Major-Einstand von Sonic Youth ran machte. Eine Zeit lang hatte ich das Album eher belächelt, weil ich, bis auf das einschüchternde „Tunic“, die Songs musikalisch für zu simpel hielt. Was natürlich völliger Quatsch ist. Sonic Youth gelang hier eine Vermählung von Pop und Krach, wie sie ihnen in dieser Form nie wieder gelang (und vielleicht auch nie wieder gelingen wollte). „Tunic“, „Kool Thing“, „My Friend Goo“, „Disappearer“ oder „Titanium Exposè“: „Goo“ war das Album mit den Hits. Und wahrscheinlich imponiert es mir wohl deswegen bis heute noch so sehr. Eines meiner schönsten Bandshirts, dass ich je besaß, war übrigens von Sonic Youth. Hellgrün und mit den zwei herumknutschenden Turteltäubchen Kim Gorden und Thursten Moore vorne drauf. Ich bin auch über zehn Jahre nach ihrer Auflösung immer noch ein wenig traurig darüber, dass es Sonic Youth nicht mehr gibt. Sie bleiben für immer eine meiner liebsten Bands.




Helmet Meantime (1992, Interscope Records)

Ich bin ja eigentlich gar nicht so der große Metal-Hörer. Wenn ich aber während meiner musikalischen Sturm & Drang-Phase (und der mehr oder weniger gleichzeitig stattgefundenen Durchforstung der 90er) besonders über eine Band aus dem härteren Bereich gestolpert bin, dann waren das die eher unscheinbaren, Football spielenden Jungs von nebenan mit den modischen Kurzhaarfrisuren und dem smarten Lächeln: Helmet. Meine erste Berührung mit ihnen hatte ich durch die „Visions #100-Anniversary“- Compilation. Darauf zu finden war der Song „Flushings“. Und so etwas hatte ich noch nie gehört: extrem trockenes, rudimentäres und reduziertes Songwriting. Rhythmisch verschachtelt und doch unfassbar drückend. Als Teenager bin ich wöchentlich mindestens einmal in meiner heimischen Stadtbibliothek gewesen und habe mir stapelweise CD`s ausgeliehen. Damals eine wahre Goldgrube. Einmal war auch „Aftertaste“ dabei. Und ich war wie geplättet. Fortan habe ich die Diskografie der frühen Helmet rückwärts aufgesogen, bis ich schließlich bei „Meantime“ gelandet war. Schwer zusagen, ob „Meantime“ das beste Album ihrer ersten Schaffensphase war. Es war in jedem Fall Jenes, welches zum ersten Mal bis zu Ende gedacht war. Ihr Schlüsselalbum. Was mir an den früheren Helmet immer so gefiel, war ihre Schnörkellosigkeit und diese einzigartige Kombination aus absoluten, musikalischem Können und ihrer No-Metal-Image-Attitüde. Nennt es Hardcore, Noiserock oder die Vorstufe zum New Metal, mir egal. Für mich ist „Meantime“ ein eiskaltes, millimetergenau produziertes Lehrstück brettharter Musik und wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Jack Crabb


The Afghan Whigs Gentlemen (1993, Elektra)

Auch The Afghan Whigs und das famose „Gentlemen“ hätte ich ohne meine etlichen Bibliotheks-Streifzüge als Heranwachsender nie kennen- und lieben gelernt. Es sollte allerdings einige Jahre dauern, bis ich diese Band wirklich zu würdigen wusste. Da das Qunitett einmal beim Seattle-Label SubPop unter Vertrag stand, brachte ich es immer in Verbindung mit Grunge, was mein Interesse an ihm weckte. Schließlich stand ich zu dieser Zeit schwer auf Soundgarden und Nirvana. Allein das ungewöhnliche, wunderschöne Cover lies mich erahnen, dass das hier etwas ganz anderes ist. Melodieverliebter, verspielter, aber dennoch krachiger Alternativerock, dazu ein völlig durchgedrehter Dulli am Gesang, der gegen seine Dämonen ankämpft und gleichermaßen knisternd raunt, hingebungsvoll singt oder wild herumschreit. Aber Grunge? Dafür klang die Band nicht hart genug, eher leichtfüßig. Stattdessen blitzten immer wieder soulige Gitarren und wie selbstverständlich dazu passendes Klavier- sowie melancholische Streicher auf. Ich schäme mich schon fast ein bisschen dafür, dass mich die Wahrhaftigkeit Dulli`s Musik einst so kalt ließ. Erst als er mit Mark Lanegan gemeinsame Sache gemacht hat und das rabenschwarze „Saturnalia“ veröffentlichte, fing ich wieder an, mich mit ihm zu beschäftigen und gab seiner alten Band eine zweite Chance. Und plötzlich machte Alles Sinn für mich. Aus heutiger Sicht ist „Gentlemen“ vielleicht die Blaupause für Alles gewesen, was die Band nachher gemacht hat. Und woran sie wohl auch nie wieder (mit erfreulicher Ausnahme von „In Spades“) so richtig anknüpfen konnte.




Blur Modern Life Is Rubbish (1993, Food Records/ EMI)

Es war ein Freund von mir, der irgendwann mal meinte, als wir uns über Blur unterhielten, dass ich mir unbedingt „Modern Life Is Rubbish“ anhören sollte. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt lediglich das bei vielen Fans der ersten Stunde beliebte „Parklife“. Für die neueren, mir eigentlich altersbedingt deutlich näheren stehenden Blur interessierte ich mich dagegen nicht so. Es sollten ein paar Jahre vergehen, bis ich dem Tipp meines Freundes doch noch nachkam. Und es machte irgendwie „klick“. Es war Frühjahr 2009. Rückblickend eine spannende Zeit. Ich holte gerade mein Abi nach, schmiedete Pläne für ein Studium und entwuchs endgültig meinem Elternhaus. Und immer lief diese Musik nebenbei. Immer wenn ich „Modern Life Is Rubbish“ höre ist es in meiner Vorstellung Sommer, die Sonne knallt vom Himmel und es ist viel zu heiß. Wahrscheinlich wird dieses Album für immer mit den Erinnerungen an meine frühen Zwanziger verbunden sein. Leider zählt „Modern Life Is Rubbish“ heute zu den weniger bedeutenden Alben der Band. Dabei war hier bereits alles für einen unsterblichen Britpop-Klassiker angerichtet. Clever- aber mit viel Raum arrangierte Popsongs, die oft und gerne in Richtung US-Indie und Shoegaze schielen und dabei ungemein lässig die unwiderstehlichsten Melodien aus der Hüfte schießen. Erst mit dem bumsfidelen „Girls & Boys“ und der dazugehörigen, ähnlich brillanten Platte „Parklife“ kam dann auch der Erfolg. Mit dem etwas zu routiniertem „The Great Escape“ war dieses Konzept dann aber auch wieder am Ende und Blur lernten mit „Song2“, wie man die Tanzflächen der Diskotheken zum überlaufen bringt. Ich bleibe dagegen gerne altmodisch und greife am liebsten nach „Modern Life Is Rubbish“, wenn ich mal wieder Lust auf Blur habe.




Nine Inch Nails The Downward Spiral (1994, TVT Records/ Nothing Records)

Trent Reznor und sein Jahrhundertalbum. Ein anderes Superlativ lasse ich nicht gelten. Mit seinem einstigem Protegè Marylin Manson war ich schon vertraut, hörte seine Musik zu Hause aber nur heimlich auf Kassette, weil ich dachte, meine Eltern würde sich sonst nur Sorgen über mich machen. Dann wurde ich auf die Nine Inch Nails aufmerksam und kaufte mir ohne irgendeine Ahnung zu haben „The Downward Spiral“. Und es kam einem unglaublichem Schock gleich, von dem ich mich nicht so schnell wieder erholen sollte. Der Opener „Mr. Selfdestruct“, beginnt mit schmerzverzerrten Schreien einer Person, auf die immer und immer wieder mit etwas eingeprügelt wird. Als die Schläge immer schneller werden, fegt der Song wie ein Orkan über einen hinweg und endet schließlich in einem Chaos aus wirren, rückwärts abgespielten Gitarren….Ich saß wie gelähmt vor meiner damals nigel nagel neuen Stereoanlage und bekam den Mund nicht mehr zu. So etwas (selbst)zerstörerisches, angsteinflößendes, schlicht übergeschnapptes hatte ich noch nie gehört. Und trotzdem (oder gerade weil) war ich von diesem mit viel Fingerspitzengefühl inszeniertem Albtraum, von diesem pechschwarzem Abgrund schnell fasziniert. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Nine Inch Nails um ein Ein-Mann-Projekt handelt und Reznor die meisten Instrumente selbst einspielt, begeisterte mich und festigte meiner Überzeugung, dass es sich bei dem Hirn hinter dieser Musik um ein absolutes Genie handeln muss. Die meisten der hier aufgelisteten Alben haben über die Jahre sicherlich schon ein kleines bisschen Staub angesetzt. Nur nicht „The Downward Spiral“. Das geht mir auch heute noch durch Mark und Bein...




Soundgarden Superunknown (1994, A&M Records)

Bei „Superunknown“ und Soundgarden generell habe ich bei der Ausarbeitung dieser Liste ebenfalls keine Sekunde gefackelt. Wenn an dieser Stelle wenigstens einmal so richtig wertkonservativer Männer-Rock auftauchen darf, dann dieser hier. Chris Cornell & Co waren diejenigen, die mich zum, sagen wir mal, „authentischen“, zum ECHTEN Rock gebracht haben. Ich war noch jungfräulicher Tennager und mein Gitarren-Horizont endete eher bei Nu-Metal-Gruppen wie Korn, als diese CD plötzlich meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Damals lagen in den Heften der Musikmagazine manchmal noch so kleine Werbe-Booklets bei, in denen auf aktuelle CD-Sonderangebote aufmerksam gemacht wurde. Oft gab`s auch kleine Rezensionen mit dazu. Im Musikexpress war einmal ein „Rock“-Special in dem u.a „Superunknown“ von Soundgarden genannt wurde. Ich wurde neugierig und kaufte mir bei der nächstbesten Gelegenheit das Album. Was der Vierer aus Seattle hier spielt, war für einen Spät-Geborenen, wie mich, so etwas wie Nachhilfe-Unterricht in Sachen Rockmusik und der Soundtrack etlicher Schulwege auf meinem Walkman. Was Grunge im Speziellen angeht, konnte ich Soundgarden musikalisch allerdings nie so richtig in diesen Kontext einordnen. Natürlich sind auch Nirvana nicht spurlos an mir vorbeigegangen. „Dirt“ von Alice In Chains kenne ich auch gerade so. Nur Pearls Jam ignoriere ich bis heute weitestgehend. „Superunknown“ ist für mich mehr als nur ein wertvolles Dokument einer Epoche. Es ist die Buchstabierung von Rock und klingt auch heute noch wie ein Riese.
Jack Crabb


Motorpsycho Blissard (1995, Stickman Records)

Wenn es in meiner Liste eine ultimative VISIONS-Band gibt (und die, wie ich finde, außerhalb des Heftes schon immer gnadenlos unterbewertet war), dann Motorpsycho. Inspiriert vom „90er“-Spezial der Ausgabe Nr.82 (eben jenes Heft hatte ich mir Jahre später extra nur aus Neugierde nachbestellt), lieh ich mir in der bereits erwähnten Stadtbibliothek die CD aus, die in der aufgezählten Sammlung Erwähnung fand: „Timothy’s Monster“. Jedenfalls dachte ich das. Denn in Wirklichkeit hatte ich mir „Blissard“ ausgeliehen. Wenn ich mich richtig zurück erinnere, wurde in dem damaligen Heft nämlich fälschlicherweise das Cover des Nachfolgers abgedruckt. Sei`s drum. Es gibt nur sehr wenige Künstler, von denen ich (noch) mehr Tonträger in meiner Sammlung habe, als von Motorpsycho. Und es gibt ebenfalls nur sehr wenige Bands aus den letzten 30 Jahren, die eine (meiner Meinung nach) so hohe Qualitätsdichte in ihrer Diskographie haben. Nach dem kreativen Spirit, diesem beseelten, grenzenlosen Rausch von „Blissard“ habe ich fortan bei Motorpsycho immer wieder gesucht- ihn aber nie wieder so richtig gefunden.



Die Ärzte 13 (1998, Hot Action Records/ PolyGram)

Ich brauche mir nur das reichlich abgenutzte Digipack anschauen, um zu realisieren, wie lange dieser Silberling schon mein Eigen ist. Mit 11 bekam ich meinen ersten CD-Player geschenkt und passend dazu habe ich auch meine erste CD bekommen: „13“ von Die Ärzte. Und ich war stolz wie Bolle. 1998 muss rückblickend wohl das Jahr gewesen sein, in dem Die Ärzte endgültig, vor allem dank „Männer sind Schweine“, zu so etwas wie Superstars wurden. Auch wenn mir später bewusst wurde, dass mir die Band schon länger durch das Radio bekannt war. Ich hatte damals einen Schulfreund, durch den ich auf das Album aufmerksam wurde. Wir hörten uns permanent nach der Schule gemeinsam seine CD an und haben uns über die Texte halb tot gelacht, obwohl wir sie noch gar nicht wirklich verstanden. Was mich aber damals wirklich beeindruckt hatte war die Musik. Wenn man als Kind zum ersten Mal Musik mit ungewohnt laut verzerrten Gitarren hört, dann ist das einerseits aufregend, andererseits auch etwas angsteinflößend. Und wenn die Bandmitglieder dann auch noch gefärbte Haare und Tätowierungen tragen, ist man ohnehin schon halb von der verdorbenen Rock`N`Roll-Welt infiziert. Meinen Musikgeschmack haben Die Ärzte letztendlich vielleicht doch nicht so stark beeinflusst, wie andere Bands. Aber dafür waren sie für andere Sachen wichtig: das Tapezieren der eigenen Kinderzimmer-Wände mit BRAVO-Postern, das Aufzeichnen von Die Ärzte-Tagen auf VIVA oder MTV, das Erstellen unzähliger Tapes mit Lieblingssongs und erste Konzertbesuche mit mütterlicher Begleitung. Wenn es je einen Beginn meiner musikalischen Sozialisation gab, dann vielleicht diesen hier von 1998.



Korn Issues (1999, Immortal Records/ Epic Records)

...und als ich schließlich mit 12,13 Jahren langsam zum pickeligen Teenager mutierte, Clerasil und Haargel meine Palette an Körperpflegeprodukten (zum Teil unfreiwillig) erweiterten, Die Ärzte auch nicht mehr so richtig cool waren und ich mich an die „härteren“ Sachen herantraute, schlug einmal mehr die Stunde von MTV. Es muss entweder das Video zu „Freak On A Leach“- oder das zu „Sombody Someone“ gewesen sein, als ich das erste Mal Korn im Fernsehen sah. Dass die darin zu sehenden Musiker Hip Hop-Outfits- und lustige Zopf-Frisuren trugen und ihre Gitarren und Bässe bis zu den Knien hängen ließen fand ich schon irgendwie cool, was allerdings von Jonathan Davis` freakiger und zugleich düsterer Erscheinung im hautengen (Leder?)Dress und seinem zwei geteiltem Schnurrbart noch getoppt wurde. Da ich von der Band bis dahin eh noch nie etwas gehört hatte und man sich damals auch noch nicht so leicht Informationen einholen konnte, war es mir egal, welche CD ich mir von ihnen kaufte. Hauptsache ich hatte überhaupt eine. So kam ich zu „Issues“. Und ich habe fortan erst mal nichts mehr anderes gehört. Damals ging es auch noch gar nicht so sehr um Identifikation mit der Musik an sich, sonder einfach nur darum, sich (wenn auch noch unbewusst) ein Stück weit abzugrenzen. Erst über die vielen Jahre (und auch wegen der zahlreichen und mittelmäßigen Alben nach „Issues“) habe ich begriffen, wie genial, absonderlich und innovativ diese Band damals eigentlich klang. Nicht Alles an Nu-Metal war also peinlich. Auch wenn die Fans der ersten Stunde wohl ab „Follow The Leader“ schon kritisch in Richtung der ersten beiden Alben zeigten. Für mich ist „Issues“ jenes Album, dass ihre Trademark-Sound heute noch am besten abbildet.

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Donnerjakob


Korn Issues (1999, Immortal Records/ Epic Records)Jack Crabb, 24.05.2020 22:47 #

Sehr schöner Text zu der Issues, ich fand mich in deinen sehr treffenden Zeilen schnell wieder :thumbsup:.

Ergo: Ich kann mich leider auch nicht mehr so gut daran erinnern, aber es muss damals das Video zu Sombody Someone gewesen sein, wodurch ich durch MTV angefixt wurde. Neben Wu-Tang Forever, dass erste Album, das ich wirklich intensiv hörte! Ehrlich gesagt interessieren mich die Texte von Davis bis heute nicht - ist mir viel zu abgedroschen wie er Teenager und Emo Kids versucht zu initiieren. Fuck It! Abstrahiert davon, war der super tiefe Sound (der nicht einmal mehr klanglich war, sondern nur noch rhythmisch), die Riffs der sieben Saitengitarren und in der Art und Weise, wie die beiden Gitarristen Effekte verwendeten einfach nur knietief deep und im­mens innovativ :headbang:

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fennegk
Boah, das affenkind und eben dem seine Liste: :bow:
Wie ein halber Spiegel an der verschwommenen Wand.
-pmh-
3

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the smashing pumpkins - "mellon collie and the infinite sadness" (1995)

make rock great again!
der größenwahn billy corgan´s ging viele jahre hand in hand mit seinem kontrollwahn - aber zumindest für drei alben ("adore" & "siamese dream" und ebendieses) standen die pumpkins in der weltauslage - und dieser mit 28 songs (!) vollgepackte doppeldecker bot das passende programm dazu:
ein auf und ab an stimmungen, tempis, überraschungen und songs, die, wenn nicht mit tausend streicherspuren und sündteuren videos verziert, schonmal richtig zupacken konnten - "zero" oder "fuck you (an ode to no one)" dürfen hier lautstark aufzeigen. verzeihung, aufspielen.
es sind aber meist die leiseren, nachdenklichen songs die sich in den letzten 25 jahren (verdammt, ist das wirklich sooo lange her?) im gedächtnis einbrannten - 1979 klingt auch heute noch zeitlos, weder nach grunge noch irgendwie angreifbar. als würde man einen alten freund besuchen und sich wundern, warum der auch heute noch so verdammt jung und gut aussieht.
man selbst? hat haare gelassen - wie auch mr. corgan himself: wie eine mischung aus nosferatu, voldemort und uns olsen (sorry) stolzierte er anno 1995 durch die rockwelt und lässt uns staunen, die stirn runzeln, luftgitarre spielen undundund... dawn to dusk & twilight to starlight, so die beiden unterschiedlich betitelten rundlinge boten ein opulentes songbuffet, an dessen tafel man sich vortrefflich den bauch und die ohren vollschlagen konnte ohne angst um seine figur zu haben.
egal wie man zu der person corgan oder den smashing pumpkins steht bzw stand - "mellon collie and the infinite sadness" ist (s)ein meisterwerk, das auch in 25 jahren noch bestand haben wird. und wenn nicht für die welt, dann zumindest für tonight, tonight.


zum finale noch etwas lustiges haariges: zwei der schönsten songs aus "mellon collie..." im test - vergleicht und entscheidet selbst:
oben mit - bullet with butterfly wings
oben ohne - thirty-three
Woas Sois...
Eine Qualität wird hier abgeliefert, na Servus. Da dürfte mancher Visions-Redakteur neidisch schielen. :bow:
Und ich entdecke bei eurer Auswahl immer wieder, wie viele Alben der 90er es doch verdient hätten.
Bei Korn wärs bei mir natürlich das Debut, Erstkontakt im richtigen Alter und so. Machste nix.
Bei Motorpsycho die Trust us, NIN hatte ich ja eine andere, aber recht hat jeder.
affenkind
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the smashing pumpkins - "mellon collie and the infinite sadness" (1995)


egal wie man zu der person corgan oder den smashing pumpkins steht bzw stand - "mellon collie and the infinite sadness" ist (s)ein meisterwerk, das auch in 25 jahren noch bestand haben wird. [/url]-pmh-, 25.05.2020 09:41 #


Dem fettgedruckten ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Obwohl mich Adore dann im Nachgang noch ein Stück mehr weggedroschen hat.
affenkind
Eine Qualität wird hier abgeliefert, na Servus. Da dürfte mancher Visions-Redakteur neidisch schielen. :bow:
Und ich entdecke bei eurer Auswahl immer wieder, wie viele Alben der 90er es doch verdient hätten.
Bei Korn wärs bei mir natürlich das Debut, Erstkontakt im richtigen Alter und so. Machste nix.
Bei Motorpsycho die Trust us, NIN hatte ich ja eine andere, aber recht hat jeder.Woas Sois..., 25.05.2020 10:24 #


Das denke ich hier auch ein ums andere mal.

Wobei es bei Motorpsycho natürlich Timothy´s Monster sein muss (und wenn nicht die, dann zumindest die Demon Box) :wink: