The Afghan Whigs Gentlemen (1993, Elektra)
Auch The Afghan Whigs und das famose „Gentlemen“ hätte ich ohne meine etlichen Bibliotheks-Streifzüge als Heranwachsender nie kennen- und lieben gelernt. Es sollte allerdings einige Jahre dauern, bis ich diese Band wirklich zu würdigen wusste. Da das Qunitett einmal beim Seattle-Label SubPop unter Vertrag stand, brachte ich es immer in Verbindung mit Grunge, was mein Interesse an ihm weckte. Schließlich stand ich zu dieser Zeit schwer auf Soundgarden und Nirvana. Allein das ungewöhnliche, wunderschöne Cover lies mich erahnen, dass das hier etwas ganz anderes ist. Melodieverliebter, verspielter, aber dennoch krachiger Alternativerock, dazu ein völlig durchgedrehter Dulli am Gesang, der gegen seine Dämonen ankämpft und gleichermaßen knisternd raunt, hingebungsvoll singt oder wild herumschreit. Aber Grunge? Dafür klang die Band nicht hart genug, eher leichtfüßig. Stattdessen blitzten immer wieder soulige Gitarren und wie selbstverständlich dazu passendes Klavier- sowie melancholische Streicher auf. Ich schäme mich schon fast ein bisschen dafür, dass mich die Wahrhaftigkeit Dulli`s Musik einst so kalt ließ. Erst als er mit Mark Lanegan gemeinsame Sache gemacht hat und das rabenschwarze „Saturnalia“ veröffentlichte, fing ich wieder an, mich mit ihm zu beschäftigen und gab seiner alten Band eine zweite Chance. Und plötzlich machte Alles Sinn für mich. Aus heutiger Sicht ist „Gentlemen“ vielleicht die Blaupause für Alles gewesen, was die Band nachher gemacht hat. Und woran sie wohl auch nie wieder (mit erfreulicher Ausnahme von „In Spades“) so richtig anknüpfen konnte.
Blur Modern Life Is Rubbish (1993, Food Records/ EMI)
Es war ein Freund von mir, der irgendwann mal meinte, als wir uns über Blur unterhielten, dass ich mir unbedingt „Modern Life Is Rubbish“ anhören sollte. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt lediglich das bei vielen Fans der ersten Stunde beliebte „Parklife“. Für die neueren, mir eigentlich altersbedingt deutlich näheren stehenden Blur interessierte ich mich dagegen nicht so. Es sollten ein paar Jahre vergehen, bis ich dem Tipp meines Freundes doch noch nachkam. Und es machte irgendwie „klick“. Es war Frühjahr 2009. Rückblickend eine spannende Zeit. Ich holte gerade mein Abi nach, schmiedete Pläne für ein Studium und entwuchs endgültig meinem Elternhaus. Und immer lief diese Musik nebenbei. Immer wenn ich „Modern Life Is Rubbish“ höre ist es in meiner Vorstellung Sommer, die Sonne knallt vom Himmel und es ist viel zu heiß. Wahrscheinlich wird dieses Album für immer mit den Erinnerungen an meine frühen Zwanziger verbunden sein. Leider zählt „Modern Life Is Rubbish“ heute zu den weniger bedeutenden Alben der Band. Dabei war hier bereits alles für einen unsterblichen Britpop-Klassiker angerichtet. Clever- aber mit viel Raum arrangierte Popsongs, die oft und gerne in Richtung US-Indie und Shoegaze schielen und dabei ungemein lässig die unwiderstehlichsten Melodien aus der Hüfte schießen. Erst mit dem bumsfidelen „Girls & Boys“ und der dazugehörigen, ähnlich brillanten Platte „Parklife“ kam dann auch der Erfolg. Mit dem etwas zu routiniertem „The Great Escape“ war dieses Konzept dann aber auch wieder am Ende und Blur lernten mit „Song2“, wie man die Tanzflächen der Diskotheken zum überlaufen bringt. Ich bleibe dagegen gerne altmodisch und greife am liebsten nach „Modern Life Is Rubbish“, wenn ich mal wieder Lust auf Blur habe.
Nine Inch Nails The Downward Spiral (1994, TVT Records/ Nothing Records)
Trent Reznor und sein Jahrhundertalbum. Ein anderes Superlativ lasse ich nicht gelten. Mit seinem einstigem Protegè Marylin Manson war ich schon vertraut, hörte seine Musik zu Hause aber nur heimlich auf Kassette, weil ich dachte, meine Eltern würde sich sonst nur Sorgen über mich machen. Dann wurde ich auf die Nine Inch Nails aufmerksam und kaufte mir ohne irgendeine Ahnung zu haben „The Downward Spiral“. Und es kam einem unglaublichem Schock gleich, von dem ich mich nicht so schnell wieder erholen sollte. Der Opener „Mr. Selfdestruct“, beginnt mit schmerzverzerrten Schreien einer Person, auf die immer und immer wieder mit etwas eingeprügelt wird. Als die Schläge immer schneller werden, fegt der Song wie ein Orkan über einen hinweg und endet schließlich in einem Chaos aus wirren, rückwärts abgespielten Gitarren….Ich saß wie gelähmt vor meiner damals nigel nagel neuen Stereoanlage und bekam den Mund nicht mehr zu. So etwas (selbst)zerstörerisches, angsteinflößendes, schlicht übergeschnapptes hatte ich noch nie gehört. Und trotzdem (oder gerade weil) war ich von diesem mit viel Fingerspitzengefühl inszeniertem Albtraum, von diesem pechschwarzem Abgrund schnell fasziniert. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Nine Inch Nails um ein Ein-Mann-Projekt handelt und Reznor die meisten Instrumente selbst einspielt, begeisterte mich und festigte meiner Überzeugung, dass es sich bei dem Hirn hinter dieser Musik um ein absolutes Genie handeln muss. Die meisten der hier aufgelisteten Alben haben über die Jahre sicherlich schon ein kleines bisschen Staub angesetzt. Nur nicht „The Downward Spiral“. Das geht mir auch heute noch durch Mark und Bein...
Soundgarden Superunknown (1994, A&M Records)
Bei „Superunknown“ und Soundgarden generell habe ich bei der Ausarbeitung dieser Liste ebenfalls keine Sekunde gefackelt. Wenn an dieser Stelle wenigstens einmal so richtig wertkonservativer Männer-Rock auftauchen darf, dann dieser hier. Chris Cornell & Co waren diejenigen, die mich zum, sagen wir mal, „authentischen“, zum ECHTEN Rock gebracht haben. Ich war noch jungfräulicher Tennager und mein Gitarren-Horizont endete eher bei Nu-Metal-Gruppen wie Korn, als diese CD plötzlich meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Damals lagen in den Heften der Musikmagazine manchmal noch so kleine Werbe-Booklets bei, in denen auf aktuelle CD-Sonderangebote aufmerksam gemacht wurde. Oft gab`s auch kleine Rezensionen mit dazu. Im Musikexpress war einmal ein „Rock“-Special in dem u.a „Superunknown“ von Soundgarden genannt wurde. Ich wurde neugierig und kaufte mir bei der nächstbesten Gelegenheit das Album. Was der Vierer aus Seattle hier spielt, war für einen Spät-Geborenen, wie mich, so etwas wie Nachhilfe-Unterricht in Sachen Rockmusik und der Soundtrack etlicher Schulwege auf meinem Walkman. Was Grunge im Speziellen angeht, konnte ich Soundgarden musikalisch allerdings nie so richtig in diesen Kontext einordnen. Natürlich sind auch Nirvana nicht spurlos an mir vorbeigegangen. „Dirt“ von Alice In Chains kenne ich auch gerade so. Nur Pearls Jam ignoriere ich bis heute weitestgehend. „Superunknown“ ist für mich mehr als nur ein wertvolles Dokument einer Epoche. Es ist die Buchstabierung von Rock und klingt auch heute noch wie ein Riese.