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Musik

Muss man doch kennen!?

Drunken Third
Angeregt durch einige Aussagen im Mixtapethread und passend zum allgemeinen Wunsch nach mehr musikalischen Themenschwerpunkten im Forum, hier die Möglichkeit für eine neue Grundatzdisussion, zu deren Eröffnung ich mich mal frech an Olsen bediene (er möge es mir verzeihen):

Es ist ein hehrer Anspruch, ich weiß, aber Leute in Musikforen sollten eine gewisse popmusikalische Bildung besitzen.Olsen, 18.05.2016 11:50 #


Stimmt das?

Wie weit muss man eigentlich zurück gehen, um wirklich mitreden zu können? Muss ich Black Sabbath gehört haben, um Darkest Hour zu mögen? Muss ich MC5 und die Stooges kennen, damit ich Spaß an Pop-Punk haben kann? Kann man die Chemical Brothers gut finden, ohne jemals Kraftwerk gehört zu haben? Muss man sich im Blues, Funk und Jazz auskennen, um die Beastie Boys abzufeiern? Led Zeppelin, Pink Floyd, Beatles, Stones: wo hört es auf? Wo liegen die eigentlichen Wurzeln, und wie wichtig ist das überhaupt?
Alphex
Es gibt einfach Alben und Musikerwerke, von denen es sich sehr lohnt, sie zu kennen. Mag sein, dass das für mich anders ist, weil ich Musiknerd bin und auch selber Musik schreibe (und da natürlich dann besonders viel lernen kann von den Hits), aber es gibt einfach Sachen, die sollte man zuordnen können und wissen, was da passiert.

Mit 15 dachte ich auch, ich könnte problemlos guten Black Metal schreiben, denn die Musik sei ja eh scheiße. Was ich mit 17 dann aber tatsächlich konnte, waren Thrash-Riffs, weil ich einfach umrissen hatte, nach welchem Schema die Dinger funktionieren (ja, funktionieren).

Weniger Musikerzentrisch gibt es bestimmte Sounds und Stile, die einfach zu einer bestimmten Zeit gehören, auch, was den Einfluss angeht, und es sich daher - gerade im Hinblick auf die Metastasen, die sie getrieben haben - lohnt, die zu kennen. Damit man die Verbindungen zwischen vermeintlich unverbundenen Stilen erkennt, und zwischen den Zeilen lesen kann: Warum eiert diese Band immer mit dieser Band rum, das höre ich doch gar nicht raus? Bis man merkt: Das liegt im Rhythmus. Oder in den Gitarrentexturen. Oder im Gesangsstil.
cornello
so strikt, wie drunken es beschrieben hat, ists natürlich quatsch. wer a sagt, muss eben nicht auch b sagen. ich mag die stooges und mc5, kann aber nichts mit aktuellem (pop)punk anfangen. und es ist sicherlich nicht verkehrt sich auch mal die wurzeln der bevorzugten sounds/stile anzuschauen. aber von müssen kann keine rede sein.

ich bin allgemein ein freund von allgemeinwissen und da gehört natürlich auch musikalisches wissen dazu. um mal bei dem 80er-beispiel ausm andern thread zu bleiben: ich mag diese kalten synthie-sounds nicht und stand nie auf heavy metal, nyhc und ndw sind ebenfalls musikrichtungen die mir nichts geben. ich kann die einsortieren, ich kann heutige verweise auf damalige stile ziehen und muss die originale der zeit trotzdem nicht mögen, ihre heutigen ableger, die es ohne diese zeit nicht gegeben hätte aber schon.
Olsen
Ich möchte anmerken, dass ich kein Stück dieser Kausalität unterstellt habe, die Drunken anführt. Mir geht es lediglich um eine allgemeine popmusikhistorische Bildung.

Vielleicht hatte ich den Vorteil, dass ich eine Tante hatte, die mir immer mal wieder ein paar aktuelle und ältere Alben zugeschanzt hat und mir somit Interesse an verschiedenen Arten von Musik näherbrachte. Ich glaube, wenn ich direkt in irgendeiner Szene gelandet wäre, hätte ich mich nicht mehr so mit der Vergangenheit beschäftigt. Und dann gab es diese schöne Retro-Rubrik im Musikexpress damals, das hatte schon fast lexikalischen Charakter.
OneFingerSalute
Ich muss nix kennen. Ich finde es interessant herauszufinden, wo die Musik ihre Wurzeln hat, die ich höre. Aber das passiert mir eher zufällig, wenn zum Beispiel die Schmuddelkatze beim Auflegen neben mir steht und irgendwas Olles auspackt, bei dem dann ganz schnell klar wird, wovon einige nicht ganz so olle Sachen, die ich selbst auch höre, inspiriert wurden. Nur ganz selten lege ich es darauf an und forsche bewusst. Mir wurde auch schon viel zu oft gesagt, das kannst du doch nicht hören, wenn du gar nicht weißt, wo das herkommt, wenn du Wegbereiter XY nicht kennst. Äh, doch. Kann ich. Sehr gut sogar. Ist doch für die Betrachtung von Musik erst mal völlig wurscht, ob ich die "Herkunft" kenne oder nicht. Zumal sich ja auch immer wieder herausstellt, dass Bands, denen gewisse Einflüsse unterstellt werden, diese dann überhaupt nicht kennen oder sich zumindest nicht dafür interessieren. Und auch der Pop-Rock-Kanon ist mir wumpe. Ich kaufe mir kein Album von den Rolling Stones, weil das angeblich einfach in eine anständige Musiksammlung gehört. Nicht mal die Ramones stehen in meinem Regal. Die Beatles, David Bowie, Frank Zappa und wie sie alle heißen auch nicht. Roxette allerdings schon, die MÜSSEN wirklich. Es kommt ins Haus und ins Ohr, was ich spannend finde und was mir gefällt und nicht das, was andere Leute, von mir aus auch die Experten, für relevant halten.
Woas Sois...
Müssen ist natürlich Quatsch, außer man äußert sich gegen Kohle beim Thema. Von einem Musikredakteur erwarte ich selbstverständlich mehr Hintergrundwissen.
Von einem "reinen" Musikgenießer erwarte ich "Halt die Fresse, du Spaten" wenn ich seine Band disse.

Davon ab: Auch die Coreknaben hier verfügen doch über profundes Wissen in ihrem Bereich. Wer hat welche Bands mitgemacht, Split-Scheiben, was kam alles aus Escapado...
Ich glaube, da müsste Olsen passen.

Bei mir selber: Ich interessiere mich halt für Musikwissen über Musik, die ich höre. Mein Vorteil: Ab den 50er ist da von überall was für mich bei. Dafür bin ich bei Klassik oder Barbershop ne Niete.
OneFingerSalute
Davon ab: Auch die Coreknaben hier verfügen doch über profundes Wissen in ihrem Bereich. Wer hat welche Bands mitgemacht, Split-Scheiben, was kam alles aus Escapado...Woas Sois..., 18.05.2016 15:48 #


Klar, dieses Wissen ist aber zumindest bei mir im Laufe der Zeit aus echtem Interesse quasi nebenbei entstanden. Das habe ich mir nicht bewusst angeeignet, weil ich das Gefühl hatte, ich muss das jetzt wissen.
schmirglie
Wer sich für sein Hobby Wissen anliest, ohne echtes Interesse daran zu haben, ist mir auch äußerst suspekt. Das grenzt ja an pures Klugscheißertum, egal obs da um Escapado oder Black Sabbath geht.
eigenwert
Und wer tut das denn hier?
Woas Sois...
Hier, Hier :dogrun:
Ich schaufel mir gerade die Entwicklung der Eunuchengesänge und die Zahlenmsystik des ESC auf die Festplatte
eigenwert
...unter besonderer Berücksichtigung des Mit-Holz-auf-Steine-Klopfens?
Sonst ist es nicht relevant :klugscheiss: .
der_acki
nur mal so zur info: Alessandro Moreschi (1858–1922), einziger Kastratensänger, von dem eine Tonaufnahme erhalten ist.

das behauptet zumindest wiki - ich bin mir da nicht so sicher...
Woas Sois...
Ich bin noch bei den musikalischen Steinen solo :agree:
Drunken Third
Ich möchte anmerken, dass ich kein Stück dieser Kausalität unterstellt habe, die Drunken anführt. Mir geht es lediglich um eine allgemeine popmusikhistorische Bildung.Olsen, 18.05.2016 15:30 #


Ganz klar, das Zitat diente ja nur als Aufhänger, ich würde es auf deinen Wunsch natürlich auch wieder rausnehmen.
Den Rest habe ich ja ganz bewusst so überspitzt.
Olsen
Righty right.

Was das Auswendiglernen angeht: Das ist natürlich Quatsch und auch nicht das, was ich gemeint habe. Wissen aneignen, nur um damit angeben zu können, bringt nichts, weil die Leidenschaft gar nicht echt ist. Ich glaube, das ist es im Kern, ich verstehe einfach nicht, wie man mit einer Leidenschaft für Musik sagen kann: alles vor 1990 (als Beispiel) ist mir egal.
Drunken Third
Ich für meinen Teil kann sagen: egal ist mir überhaupt nichts. Und ich bin mir auch sicher, dass ich noch viel aus der Vergangenheit für mich entdecken werde. Gerade in den letzten paar Jahren hat sich mein Geschmack ganz schön gewandelt bzw. ist breiter geworden.
Allerdings glaube ich auch, dass es da für mich eine natürliche Grenze gibt. Der ganze Hardrock aus den '70ern zum Beispiel, das wird mich wohl nie wirklich packen. Aktuell überlege ich, ob ich mal in Richting The Cure, The Smiths, Replacements gehe.

Ansonsten: was Ofsi gesagt hat, as always.
Woas Sois...
So einen Zeitrahmen haben doch nur Aerpel und die Helm?
Drunken Third
So einen Zeitrahmen haben doch nur Aerpel und die Helm?Woas Sois..., 18.05.2016 17:55 #


Tja, bewährte Qualität, wie mir scheint.
CYBERBORIS
Ich glaube hier im Forum gibt es zwar unterschiedliche Geschmäcker, aber für uns alle hier ist Musik mehr als Hintergrundbeschallung. Ob jetzt jeder die Diskographie von Bowie oder den Ramones aus dem Eff Eff kennt, ist dann doch gar nicht mehr so wichtig. Ich traue jedem hier zu, dass er ein so großes Interesse an Musik hat, dass er zumindest mal ein Ohr riskiert, wenn "Klassiker" in einem bestimmten Kontext empfohlen werden.

In der Welt außerhalb dieses Forums sieht es (teilweise) anders aus: da zählen nur die "Hits", die auch nur so lange aktuell sind, bis die nächste Bravo Hits rauskommt. So Jemandem zu erzählen, dass das Sample aus dem "geilen Partyknaller" vom ollen Bowie ist, ist vermutlich wirklich vergebene Liebesmüh.
Fennegk
Ich muss nix kennen. Ich finde es interessant herauszufinden, wo die Musik ihre Wurzeln hat, die ich höre.OneFingerSalute, 18.05.2016 15:39 #

Ende, fertig, gut.
Perfekt.

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Abgesehen davon und ausgeholt: Ein bisschen was sollte man gemeinhin kennen, aber das kann gerne zwanglos mit der Zeit und eben auch mal eher zufällig kommen.
Bloß keine Diktion, engen (Nerd-)Korsette etc.pp. Ebensowas nimmt der ganzen prinzipiell kreativ-freien Kiste (Musik!) ja wieder vollkommen eben genau dieses Dafür!